Einst beschlossen die Vögel, dass sie einen König bräuchten. Sie wollten denjenigen zu ihrem Herrscher machen, der am höchsten fliegen könnte. Der größte Vogel, der Adler, schwang sich höher als alle anderen in die Lüfte. Doch auf einmal flog ein Vogel noch höher: der Zaunkönig. "Wie hat der das gemacht?", fragten sich die anderen Vögel. Ganz einfach: Der schlaue Zaunkönig hatte sich in den Federn des Adlers versteckt und als dieser hoch in der Luft war, kam der Zaunkönig hervor und flog noch ein Stück höher als der Adler. Durch diese List schaffte es der Kleine, "König der Vögel" zu werden.

Wie alle Geschichten, kann diese auch auf mehreren Ebenen gedeutet werden. Meistens wird sie als eine Allegorie verstanden dafür, dass das Kleinste auch bis zum Königtum bringen kann, wenn es schlau genug ist – und schön singen kann.

Mit 19 Jahren habe ich einen Mann geheiratet, den ich aus seiner inneren Hölle „retten“ wollte. Erst 20 Jahre später entdeckte ich, dass die Flucht von meiner Mut-ter die Motivation war, welche mir die Energie dazu gab. Der kleine Vogel, der sich in den Federn des Adlers versteckt hat – der konnte nicht einmal singen…

So bin ich in die Rolle des „hilflosen Helfers“ gerutscht, was schlussendlich immer eine Opferrolle ist. Lange Jahre habe ich gebraucht, bis die Einsicht gewachsen ist: Es genügt nicht „helfen zu wollen“. Einzig und allein ist die Liebe die hilft und die konnte ich meinem Mann nicht geben. Ich habe alles andere gegeben, bis an die äußersten Grenze – aber keine Liebe – das Einzige, was er gebraucht hätte.

Mit unreiner Motivation zieht man Unreines an. Und dann beginnt ein Kampf mit gegenseitigen Projektionen.

Wie oft kommt es vor, dass wir „edle“ Motivationen haben, um etwas zu tun oder etwas auszuhalten und damit gleichzeitig einen „Blinden Passagier“ mit in die Höhe tragen! Das nennt man die „Spiritualisierung des Ego“.

Diesen „Blinden Passagier“ nennt man auch Schatten. Dieser Schatten verhindert den klaren Überblick des Adlers.

Allein das Reine kann den Adler den Aufwind geben, der ihn in die Höhe trägt und seinen Augen die Schärfe verleiht.