01
August
2019

Anstrengung und Barmherzigkeit

Heute Morgen war mein „tägliches Brot“ das Video „Vollendung“ auf der Internet Seite vom Chalice Verlag. (Danke Helga und Robert für die wunderbare Präsentation!) Im Zentrum von Reshads Rede ist Compassion – üblicherweise mit Mitgefühl ins Deutsche übersetzt. Ich stolpere immer bei diesem Begriff.

Es war ein langer Weg, bis ich die Bedeutung von „compassion“ gefunden habe. Mit Mitgefühl konnte ich nichts anfangen, denn was sagt dieses Wort wesentlich anderes, als Mitleiden aus? Ein Gefühl bindet uns in die Zeit ein. Ob Mitleid oder Mitgefühl: Ich fühle, was jetzt mit dem Anderen geschieht. Barmherzigkeit ist aber jenseits von Zeit: Es ist das Erkennen, woher das Leiden kommt und wozu es gegeben ist. Das ist die Definition der Barmherzigkeit von Friedrich Weinreb.

Was hat das alles mit der Frage „Warum müssen wir so hart arbeiten?“ zu tun?

Aus unserem heutigen Sprachgebrauch haben wir den Begriff Barmherzigkeit als „veraltet“ verbannt. Wir haben ihn mit „Mitgefühl“ ersetzt, womit wir immer noch im Bereich der Emotionen bleiben, wie beim Mitleid. Ich habe nach den Wurzeln des Begriffes Barm gesucht. Im Althochdeutsch wurde ich fündig.

https://de.wiktionary.org/wiki/erbarmen https://de.wikipedia.org/wiki/Barmherzigkeit

Barm bedeutet unter anderem Mutterschoß. Barm ist Nachkomme, „Geborenes“ (Kind), Mensch und barmen ist austragen.

Demnach ist Barmherzigkeit der Zustand von jemand, dessen Herz zu Mutterschoß geworden ist.

Der Begriff Barmherzigkeit hat die gleiche Wurzel, wie im Arabischen oder Hebräischen! Die Begriffe – als Eigenschaften Gottes - ar-Rahman und ar-Rachim im Arabischen und Rachamim im Hebräischem stammen alle aus dem Grundbegriff Mutterschoß, Gebärmutter, die mit RHM geschrieben ist.

Wie können wir das Werden des Seins – unser eigenes, unseren „Nächsten“, der Menschheit und der Schöpfung austragen und „auf die Welt bringen“, wenn wir nicht tragfähig sind? Wie entwickelt sich die Stärke dazu? Wie oft hat Reshad immer wieder betont: Ihr arbeitet nicht für euch, sondern für zukünftige Generationen! Heute ist die Erde in Gefahr. Mehr denn je ist es notwendig uns daran zu erinnern, dass wir uns „entwickeln“ müssen (das heißt tragfähig werden), damit wir barmherzig die Geburtswehen vom Werden des Seins austragen können!

Ja, Barmherzigkeit entsteht nur durch ständige Anstrengungen, wodurch die Bereitschaft zu empfangen, die Fähigkeit auszutragen und die Gnade der Geburt ermöglicht wird. Karlfried Graf Dürckheim drückte es so aus: „Der spirituelle Weg bedeutet das Unerträgliche zu ertragen.“

Wie kann ich mein „Klein-Sein“ ertragen? Wie kann ich ertragen, dass ich mit dem Gefühl, jemand zu sein, so groß bin, dass ich unendlich weit davon entfernt bin, zu erfahren, dass ich nicht bin? Wie kann ich ertragen, dass ich immer wieder in das Vergessen hineinfalle?

Mit Leichtigkeit. Mich nicht so wichtig nehmen. Ich spüre immer noch Reshads Hand auf meiner Schulter und sehe seine lachenden Augen: „Don’t be identified!“

Warum ist es so schwer, meine eigene Unvollkommenheit, Begrenzungen, Mensch-Sein zu ertragen? Ja, BARMHERZIGKEIT ist (noch) nicht stark genug!

Ja, es ist anstrengend, zu warten bis so ein Text durch Wochen ausgetragen werden muss, es ist eine Anstrengung sich hinzusetzen und das alles zu Papier zu bringen! In mir ist eine Sicht, was all dieses in der Einheit beinhaltet, was ich hier versuche „auf die Reihe zu kriegen“. Es ist anstrengend. Mich einzulassen auf den Prozess, das, was in mir ist durchzutragen, bis es „auf die Welt kommt“. Ist das „zu klein“? Was soll „groß“ genug sein? Hat das vielleicht mit spirituellem Ehrgeiz zu tun?

Leichtigkeit. Wie oft hat Reshad uns dazu aufgefordert! Ja, darin wird unser Ego vernichtet! Sonst wird noch unser Ego „spiritualisiert“…

Wie kann eine Raupe Schmetterling werden?

Ja, es braucht jedes Mal eine ganz große Anstrengung, um bei der „Leichtigkeit“ anzukommen! Keine Willensanstrengung „schafft es“. Wille ist nötig, aber er richtet sich auf ein Ziel horizontal in der Zeit aus. Das innere Ziel ist aber nicht vor uns, sondern über uns. Einzig und allein die ABSICHT kann mich heben, welche aus der Sehnsucht meiner Ganzheit genährt wird.

Author; Agnes Hidveghy Kategorie: ARSSACRA

Über den Author

Agnes Hidveghy

Agnes Hidveghy

Bitte Kommentar schreiben

Bitte einloggen, um einen Kommentar zu schreiben.