23
Mai
2020

Arbeit am Werden des Seins

Teil 1. Wie wir mit Gedanken umgehen sollten

Wenn es brennt, braucht es trainierte Leute, die das Feuerlöschen soweit geprobt haben, dass jeder Handgriff eingeübt ist. Man kann im Notfall nicht mit Üben anfangen.

Das assoziative Denken, das uns fest im Griff hat, ist auf - durch Jahrzehnte eingespielte - unzählige Verbindungen von Gehirnzellen aufgebaut. Man kann die nicht willentlich von einem Tag auf den anderen verändern. Die Verbindungen zwischen den Gehirnzellen sind «kristallisiert», sie lösen sich nicht auf Kommando auf. Wenn wir einfach mit «positivem Denken» oder mit «erhebenden Ideen» die Abläufe des assoziativen Denkens überlagern, haben die keine Kraft.

Das assoziative Denken tut uns nicht nur umgarnen und verführen, verstopfen und unsere Substanz rauben, sondern es tut uns festnageln und unsere Handlungsfähigkeit lähmen. Das ist in der Bildersprache des Isenheimer Altars drastisch ausgedrückt, indem auf der Kreuzigungsszene die Hände des Gekreuzigten auf dem horizontalen Balken - der für die mentale Welt steht – festgenagelt sind.

Es geht nicht darum, dass wir aus dem assoziativen Denken im Notfall «herausspringen» und uns an Gott wenden! Das, was in unserem Gehirn durch gewohnheitsmäßigen Bahnen läuft, wird uns überholen – wir werden ins Gefängnis von alten Gedankenformen zurückgeholt.

Neue Bahnen des Denkens aufzubauen ist eine Lebensarbeit. Es ist eine unaufhörliche Wachheit die es braucht, um mit unnötigen und negativen Gedanken nicht mitzugehen. Die Verstrickung in gewohnheitsmäßigen Abfolgen von assoziativem Denken durchzuschauen und dann wach genug zu sein, sie bereits am Anfang zu unterbrechen, verlangt eine ununterbrochene Achtsamkeit.

Der Weg führt durch das Leer werden – regelmäßig in die Stille gehen - und das regelmäßiges Aufnehmen von Ideen, welche Wissende uns zurückgelassen haben. Dadurch wird das Gehirn «umgebaut». Solche Zeit des Umbaus ist immer wieder ein labiler Zustand, den wir Krise nennen. Auf solchen Wegstrecken kann uns das Wissen darum, was geschieht, und/oder eine Begleitung helfen mit Vertrauen durchzugehen.

Wenn die Luft mit Angst-Viren gesättigt ist, mit der Arbeit am Denken anzufangen ist kaum möglich. Aus Angst und aus Wiederstand entsteht nur ein Teufelskreis, keine heilende Substanz, welche uns frei und handlungsfähig macht und uns von Viren schützen kann.

Vom Gefängnis des assoziativen Denkens frei zu werden ist nur dadurch möglich, dass wir die Energie der Aufmerksamkeit von ihm abziehen. Wie es Karlfried Graf Dürckheim formulierte: „Wenn das <Böse> anklopft, nicht wiederstehen. Es ist stärker als wir. Nicht davonrennen, es ist schneller als wir. Nicht diskutieren mit ihm, es ist intelligenter als wir. Ihm platz anbieten und dann sitzen lassen, unsere Aufmerksamkeit ihm entziehen. Uns bewusst an etwas anderes wenden.“ Am einfachsten: Körperwahrnehmung und Atem.

Ja, hier brauchen wir wahrlich die «zwei Füße»: Vertrauen und Ausdauer – während lange, einigermaßen normale Zeiten.

Author; Agnes Hidveghy Kategorie: ARSSACRA

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