08
Juni
2020

Das Dunkle und das Licht

Und Gott hat mit beiden gesprochen…

Das Dunkle und das Licht

Es ist lange her, beim Gurdjieff habe ich gelesen: „Die Menschen meinen, dass es in der Sonne hell und heiß ist. Das ist nicht wahr. Innerhalb der Sonne ist es dunkel und kalt.“ Ich konnte damals damit nichts anfangen, aber diese Aussage hat sich in mir klar festgesetzt.

Später habe ich einen intensiven Traum mit der „dunklen Sonne hinter der Sonne“ erhalten, wobei ich die Leute gerufen habe: „Kommt, schaut, das ist ein sehr seltenes Phänomen!“ Das zu verstehen habe ich Jahrzehnte gebraucht.

Dann kam Reshad: „Sucht nicht Liebe, sondern die Quelle der Liebe“. Und ich habe erkannt: „Sucht nicht das Licht, sondern die Quelle des Lichts“.

Heute steht die Physik an der Grenze des „Lichts“. Jenseits davon ist das Dunkle, als Materie und als Energie, welche unsere, durch das Licht sichtbare Universum bestimmt – ihre Existenz und Macht ist erwiesen, aber es ist nicht messbar, da keinerlei Information aus ihm „zu holen“ möglich ist.

Es war ein langer Weg, bis ich angefangen habe, die Dunkelheit zu verstehen, mit ihr umzugehen und sie zu lieben.

Die Dunkelheit hat sich einmal zu Gott begeben, um sich über das Licht zu beklagen: «Das Licht jagt mich ständig um die Erde herum.». Auf das hin, hat Gott das Licht gerufen und es gefragt: «Warum jagst du die Dunkelheit?» Das Licht antwortete: «Was jage ich? Wie könnte ich etwas ja-gen, was ich nicht kenne?» …Und Gott hat mit beiden gesprochen…

Und wir? Jagen wir das Licht um die Erde herum? Weil wir die Dunkelheit «nicht gern-haben?» Oder weil wir die Dunkelheit nicht verstehen?

Wir kennen nur die Dunkelheit, welche von Platon in seinem Bild der Höhle beschrieben wird, wo ein Feuer brennt und wir von unserem eigenen Schatten an den Wänden erschrecken. Es ist dunkel dort, weil zu viel Materie den Lichtstrahlen im Wege stehen. Aber es gibt auch noch andere Dimensionen der Dunkelheit.

Wenn wir aus der Höhle herauskommen, dann erleben wir Licht und Dunkelheit im täglichen Wechsel. Durch die Drehung der Erde entsteht ein Pulsieren zwischen Hell und Dunkel. Wenn es hell ist, dann werden die Strahlen der Sonne durch die Luftpartikel gebrochen und es entsteht Licht.

Dann verlassen wir die Erde und wir fliegen Richtung Sonne: der Raum ist zwar über-voll mit Lichtstrahlen, aber es ist trotzdem dunkel: Im luftleeren Raum gibt es keinen Widerstand, an dem die Lichtstrahlen brechen könnten. Unsere einzige Orientierung ist die Lichtquelle der Sonne.

Die vierte Dunkelheit ist jenseits der Sonne, wenn die Quelle des Licht uns anzieht. Die Sonne hinter der Sonne ist dunkel. Sie ist dunkel im dunklen endlosen Raum. Wir stammen aber von dort, von dem Zentrum der Galaxie, welches für unser Tagesbewusstsein ein „schwarzes Loch“ – Nirvana, ein Nichts - ist, das alles in sich hineinzieht. Es vereint ALLES in sich.

In allen vier Bereichen stehen wir unter unterschiedlichen Gesetzen.

In der Höhle herrscht das Gesetz des Zufalls. Wir sehen keinen Zusammenhang – damit auch keinen Sinn - in dem Spiel der mächtigen, bedrohenden Schatten. Wir scheinen dem Leben hilflos ausgesetzt zu sein. Wir merken nicht, dass die Flammen des Feuers in unserem Rücken die Szenerie inszeniert, an welche wir teilnehmen. Wir erleben uns als Gefangene eines unberechenbaren Schicksals.

Wenn es uns gelingt, aus der Höhle herauszukommen, erkennen wir Zusammenhänge und damit wird das Gesetz der Kausalität uns beherrschen: Die Verkettungen von Ursache und Wirkung. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart erkennen wir einen Faden. Das können wir Karma nennen oder wir finden psychologische Erklärungen dafür, wie wir funktionieren, wie wir die Welt wahrnehmen. Zwischen dem Leben und unsere innere Welt entsteht eine Verbindung.

Auf dem Flug Richtung Sonne stehen wir unter anderen Gesetzen. Hinter den Erklärungen taucht eine neue Orientierung auf: Wir erkennen, dass die Erklärungen nicht die wirkliche Ursachen sind. Wir suchen dann danach, wozu wir gerade diese Erfahrungen erhalten haben - und immer noch erhalten – und wir gehen nicht mehr der Frage nach, warum? Es ist nicht mehr die Vergangenheit, die unseren Weg bestimmt, sondern das Ziel. Das Ziel hat die Vergangenheit erschaffen, damit es durch ein Prozess innerhalb der Zeit erreicht werden kann.

Jenseits der Sonne beginnt der „Weglose Weg“. Das Gesetz ist: Es ist, was es ist. Ohne Erklärungen, ohne Ziel, jenseits von Gut und Böse. Das Ziel ist nicht mehr vor, sondern über uns. Es gibt nur Gegenwart. Darin sind Vergangenheit und Zukunft enthalten. Es ist der Weg des „Entwerdens“, wo der Tropfen Wasser der Ozean wird. Wo jede Trennung zwischen Licht und Dunkel aufhört.

Gleichzeitig bleiben wir mit der Erde in Verbindung, um unseren Auftrag in der Schöpfung zu erfüllen: Um Himmel und Erde miteinander zu verbinden.

Der Weg auf der Erde

Das Licht entsteht nur, wenn die Lichtstrahlen auf Materie stoßen, wie auf Luftpartikel oder wie das Sonnenlicht durch den Mond reflektiert wird. Das Licht kann nur entstehen, wenn es einen Lichtträger gibt. Aber aus dem Lichtträger, Luzifer, haben wir einen Teufel gemacht.

Wie könnten wir dann dieser Widerstand werden, welcher die Lichtstrahlen durch das zurückstrahlen zum Leuchten bringen? Hier, auf dem Planeten brauchen wir das Licht, um Erkennen, um unterscheiden zu können. Wir brauchen Licht, um einen Weg gehen zu können.

Die „Lichtstrahlen Gottes“ brauchen einen Widerstand – einen Mond oder einen Spiegel – der Seine Strahlen klar zurückwerfen – spiegeln. Es braucht „Lichtträger“, um das unendliche Strahlenmeer zum Leuchten zu bringen.

In der Höhle besetzen uns die tanzenden Schatten unserer Vorstellungen. Sie „unterhalten“ uns auch im Sinne, dass sie uns eine andauernde „Vorstellung“ präsentieren. Sie sind aber nicht die Wirklichkeit. Vorstellungen entstehen dort, wo uns Wissen fehlt. Der Tanz der Schatten spielt immer wieder das gleiche Stück mithilfe unser assoziativen Denkens und den Erinnerungsmustern der Vergangenheit.

Zu den Vorstellungen, Glauben und Illusionen, welche wir die Wirklichkeit halten, müssen wir sterben, um aus dem Gefängnis der Höhle an das Tageslicht zu gelangen: Um einen Weg der Wandlung anzufangen. Den Weg gehen wir „auf der Erde“. Dazu müssen wir die dunkle Höhle mit ihrer Sicherheit gebender Schutz verlassen. Den Weg zu gehen bedeutet eine ununterbrochene Veränderung, mit jedem Schritt. Und der Weg ist keine Gerade, sondern ein Auf und Ab, immer wieder: Klare Abschnitte des Erkennens wechseln mit Dunkelheit der Orientierungslosigkeit, Angst, Zweifel ab. Wie es im Lied heißt:

„Wechselnde Pfade,
Schatten und Licht,
Alles ist Gnade,
Fürchte dich nicht“

Irina Tweedie nennt das den „Jo-Jo Effekt“. Jede Öffnung bring uns mehr Licht. Und nach jeder Öffnung werden wir in die Tiefe geschickt, um damit das Dunkle zu beleuchten, ins Bewusstsein zu holen und um zu erkennen. Je mehr Licht wir erhalten, umso tiefer wird mit uns unser „innerer Lift“ hinuntersausen, denn das Erhaltene befähigt uns, das in der Tiefe schlummernde zu „erlösen“. Bis in unserem tiefsten Keller aufgeräumt ist.

Ich erinnere mich an die Metallscheibe, welche Reshad uns gezeigt hat: Sie war so poliert, dass sie von der Sonne beleuchtet, den Menschen sichtbar gemacht hat. Wenn wir Licht in die Welt bringen wollen, dann dürfen wir das Polieren des Spiegels bis zum letzten Atemzug nicht vergessen…

Author; Agnes Hidveghy Kategorie: ARSSACRA

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