27
Juni
2009

Der kosmische Auftrag als Mann oder als Frau geboren zu sein

Vortrag von Agnes Hidveghy in Helsinki vom 27. Juni 2009. Neubearbeitung nach der Übersetzung von Priska Hasler.

Wir sind hier heute zusammengebracht worden; am selben Platz und zur selben Zeit – im gegenwärtigen Augenblick. Es ist Gnade, die uns ermöglicht hat im gleichen Geist zusammen zu kommen. Erinnern wir uns all jenen, die diese Möglichkeit nicht haben; wir sind verbunden mit allen lebenden Wesen auf diesem Planeten. Wir sind verbunden mit all jenen, welche leiden und für ihr Überleben kämpfen – und mit jenen, die diesen Planeten gerade verlassen. Die Energie, die sie zurücklassen, können wir brauchen – wir tragen die Verantwortung dafür, wozu wir sie nutzen. Uns steht viel Energie zur Verfügung, wir können sie verwenden für uns und für die Welt - wir sind nicht nur um unserer selbst willen hier.

Wenn wir eine gemeinsame Plattform finden können während der nächsten drei Stunden, dann können wir etwas für den ganzen Planeten erhalten. Lasst uns dieses Zusammensein in Dankbarkeit annehmen.

 

Wir kommen aus unterschiedlichem Hintergrund zusammen, wir brauchen unterschiedliche Sprachen, jeder lebt in einer eigenen Welt. Damit wir nicht nur körperlich, sondern auch im Geiste zusammen sind, brauchen wir eine gemeinsame Plattform. Wir können sie erstellen, indem uns bewusst wird, dass durch das Atmen ein Austausch zwischen uns statt findet. Zusammen zu atmen ist der schnellste Weg, um ein gemeinsames Energiefeld zu schaffen; jedes Molekül, das wir ausatmen, ist mitprogrammiert. Wir nehmen auf, was andere ausatmen – mit allen darin enthaltenen Informationen. Im Schweigen findet ein direkter Austausch statt, ohne dass unser Denkapparat dazwischen steht.

 

Ich möchte euch jetzt folgendes vorschlagen: Bewegt euch nicht, ändert eure Position nicht, sondern bleibt in der Körperhaltung, in der ihr gerade seid. Schaut von innen her, mit Hilfe der Empfindung euren Körper an, geht durch sie hindurch und achtet auf das, was ihr wahrnimmt. Sind irgendwelche Spannungen da? Ist eine Veränderung notwendig? Vielleicht müsst ihr irgendwo entspannen oder eure Wirbelsäule aufrichten? Aber ändert eure Position erst nach dieser bewussten Kontrolle – und entspannt das, was entspannt werden möchte – sanft und ohne Gewalt.

 

Beobachtet jetzt, wie der Körper ein- und ausatmet. Ihr könnt eure Augen offen oder geschlossen halten, je nach dem, was ihr bevorzugt. Ändert nichts am Atem willentlich. Bleibt bei eurer Absicht, den Atem kommen und gehen zu lassen – wie ein Pendel, das sich bewegt. Der Atem folgt eurer Absicht. Und so wie das Pendel an beiden Enden für einen Moment anhält, bleibt euer Atem zwischen Ein- und Ausatmen und zwischen Aus- und Einatmen einen Moment still. Bleibt euch dieser Absicht bewusst und lasst den Körper atmen. Beobachtet den Atem, seid wach für den Atem, ohne jede Wertung, nehmt ihn einfach wahr. Es spielt keine Rolle, ob er langsam oder schnell, klein oder gross ist.



Diejenigen von euch, die mehr Erfahrung in Atemübungen haben, können durch den Solarplexus einatmen und durch das Herz ausatmen. Ihr könnt alles versuchen, aber seid nicht zu eifrig! Für diese Übung ist der Wille nicht das richtige Werkzeug. Lasst eure Gedanken und Gefühle kommen und gehen, ohne ihnen Nahrung zu geben, indem ihr sie mit Aufmerksamkeit füttert. Sie werden versuchen, eure Aufmerksamkeit vom Atem wegzuziehen, doch dann kommt ihr wieder sanft zu eurem Atem zurück.

Wir sind uns des Ortes, wo wir sind, bewusst – und nehmen auch die anderen im Raum wahr. Wir spüren den Boden unter unseren Füssen. Wir sind uns der Erde bewusst, die uns trägt, und dass wir durch den Himmel aufrecht gehalten werden. Wir bitten darum, dass wir fähig sind aufzunehmen, was uns gegeben wird.

Auf diese Weise atmen wir für die nächsten 5 Minuten, ohne zu versuchen abzuschweifen oder irgendetwas erreichen zu wollen – wir dürfen uns im Sein ausruhen.

Es gibt noch einen andern wichtigen Punkt in der Vorbereitung. Es betrifft die Zeit. Wir haben in unserer Erziehung nicht gelernt, wie wir mit der Zeit am besten umgehen können. Wir machen jetzt zusammen eine Übung und wir füllen die Zeit, die uns gegeben ist, mit Qualität. Um 18.00 Uhr haben wir angefangen; wir visualisieren diese Zeit; wir stellen uns ein Zifferblatt von einer Uhr vor, die diese Zeit zeigt. Um 21.00 Uhr werden wir beenden und jetzt ist es genau 18.26 Uhr. Wir visualisieren diese drei Zeiten mit geschlossenen Augen. Wenn wir sie sehen können, machen wir einen tiefen Atemzug und halten den Atem – zusammen mit unserer Visualisierung der drei Zeiten - für einen kurzen Moment an. Dann atmen wir aus und lassen damit auch die Bilder gehen.

***

Wir leben in einer besonderen Zeit: Auf unserem Planeten findet ein Wandel des Energiefeldes statt. Die beherrschende Hintergrund-Energie der letzten 2000 Jahre war diejenige der Fische, die jetzt am Verblassen ist. Wir befinden uns in einem neuen, so genannten „Weltenmonat“ (ein Zwölftel vom Platonischen- oder grossen Weltenjahr), im Energiefeld des Wassermanns. Obwohl es erst die Anfangsphase ist, können wir seine Manifestationen bereits eindeutig wahrnehmen. Das bedeutet, dass sich die Formen des Fische-Zeitalters auflösen. Sie werden zerstört oder sie werden kraftlos und tragen uns nicht mehr. Sie geben uns nicht länger Orientierung in Form von bewährten Traditionen. Gleichzeitig ist das neue Zeitalter noch nicht vollständig geboren, das neue kollektive Muster ist noch nicht zu einer Tradition kristallisiert. Das erschwert unsere innere Orientierung, wir sind erst auf der Suche nach einer unserer Zeit entsprechenden Art der Ausrichtung. Um diese zu finden, sind enorme Anstrengungen von uns allen notwendig, Die Generationen unserer Zeit haben die Aufgabe diese Orientierung zu erschaffen. Es ist an uns, die alten, verbrauchten Formen der Vergangenheit durch eine neue Formulierung zu ersetzen und als Tradition für die nächsten Generationen aufzubauen.

Nach meinem Verständnis wird sich die neue kollektive Form bald kristallisieren. Meine eigene und einige nachfolgende Generationen haben die Verantwortung dafür, was sich als Tradition der nächsten 700 Jahre kristallisieren wird. Dieser Zeitraum ist ein Drittel eines platonischen Monats, der ungefähr 2100 Jahre dauert.

Wir haben eine herausfordernde Aufgabe. „Es ist wichtig, dass ihr euch nicht unterschätzt!“ Mein Lehrer, Reshad Feild, wiederholte dies oft in den neun Jahren, in denen ich an seiner Lebensschule teilgenommen habe.

Die neue Orientierung zu finden, beginnt mit dem Wissen über die Natur des Menschen aus kosmischer Sicht. Spirituelle Traditionen lehren, dass unser Erbe zwei unterschiedliche Quellen hat. Von der „mütterlichen“ Seite sind wir das Produkt der Evolution. Vom Urknall an hat sich das Universum so weit entwickelt, dass es fähig wurde, die Komplexität einer Kreatur zu erschaffen, welches ein Tier mit Verstand ist, welches bereit ist, den väterlichen Impuls in sich aufzunehmen: Die Fähigkeit der Selbstwahrnehmung. Von unserer „väterlichen“ Seite kommt dieses Erbe direkt vom Schöpfer, den wir meistens „Gott“ nennen. In jedem Menschen – ob Mann oder Frau - kommen diese beiden auf gewisse Art einander entgegen gesetzten Aspekte der Einheit zusammen.

Nur zwei Pole, die voneinander verschieden und einander entgegen gesetzt sind, können jene Energie erzeugen, die für das Leben benötigt wird. Diese beiden Pole können als männlich und weiblich bezeichnet werden. Aber was ist damit gemeint? Wir benützen diese Begriffe als wären sie etwas Absolutes; wir sehen kaum jemals, dass sie nur in Bezug zueinander Sinn machen. Ich möchte ein Beispiel geben, um erklären zu können, was ich damit meine:

Stellt euch einen Stein vor. Der Bildhauer bearbeitet den Stein mit einem Meissel. Der Meissel ist aktiv (männlich) in Bezug auf den Stein, der passiv (weiblich) ist. Allerdings kann der Meissel nur so auf den Stein einwirken wie der Hammer auf ihn einwirkt. Und der Hammer wiederum ist passiv in Bezug auf die aktive Hand, welche die Bewegung des Hammers bestimmt. Auf diese Weise wird in dieser Beziehung die Hand aktiv. Die Hand jedoch tut, was der Künstler will – so ist die Absicht des Künstlers aktiv gegenüber der Hand, die in diesem Zusammenhang der passive Teil ist. Das Bewusstsein jedoch ist wiederum passiv gegenüber der Idee, die es empfangen hat.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass an sich nichts männlich oder weiblich ist. Etwas wird aktiv oder passiv nur in Verbindung zu dem, womit es in Beziehung steht.

Es gibt noch einen anderen Aspekt, den wir klären sollten im Zusammenhang von männlich und weiblich. Das kann anhand des Beispiels vom „Hund und seinem Herrn“ verdeutlicht werden:

Der Hund spielt in einem Park. Herrchen sitzt auf einer Bank und ruft den Hund. Der Hund rennt auf ihn zu, er wirkt sehr aktiv. Aber in dieser Beziehung ist der Mensch der aktive Teil, denn der Hund reagiert, indem er seinem Ruf gehorcht. Die Bewegung des Hundes ist eine Reaktion auf die Aktion des Herrchens.

Diese beiden Beispiele enthalten wichtige Informationen.

Ich möchte jetzt sozusagen zum „Anfang“ kommen, wo die Idee unserer Alltagsrealität ihre Wurzeln hat. Es spielt dabei keine Rolle, ob man Christ ist oder nicht, wichtig ist das Bild. Es geht nicht um Gott - und was oder wer Gott ist – und nicht um die Zeit als Adam und Eva erschaffen wurden, das alles ist nicht historisch gemeint. Das, was mit den Bildern beschrieben ist, spielt sich immer in der Gegenwart ab, findet gerade jetzt statt – und in jedem Augenblick erneut.

Die meisten von uns kennen diesen Satz aus Genesis 1, 27:

„Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn.“

Der oben zitierte Satz aus dem Alten Testament ist sehr bekannt, aber die nachfolgenden Worte werden kaum zitiert:

„Als Mann und Frau schuf er sie.“

Was bedeutet es, dass sich das Bild Gottes im Mann, in seinem männlichen Körper und in der Frau, in ihrem weiblichen Körper manifestiert? Der Mann repräsentiert den männlichen Aspekt und die Frau den weiblichen Aspekt Gottes. Verstehen wir, was es bedeutet? Ich höre oftmals Männer sagen, dass in ihnen auch viel Weibliches ist. Und Frauen wiederum beziehen sich darauf, dass sie auch männliche Qualitäten haben. Wir sind natürlich alle menschliche Wesen und als solche tragen wir alle die männlichen und weiblichen Aspekte „im Bilde Gottes“ individuell in uns.

Der männliche Aspekt Gottes ist „Sein“. All jene Religionen und spirituellen Traditionen, welche sich am männlichen Aspekt Gottes orientieren, verneinen die Notwendigkeit eines inneren Weges und damit auch alles Vergängliche - Körper und Gefühle mit eingeschlossen. Sie fragen: „Was suchst du? Wohin gehst du? Alles ist hier – öffne dein Herz und dann erfährst du, dass du in der Einheit bist. Du brauchst keine Übungen zu machen oder dich anzustrengen. Sei dir deiner göttlichen Natur bewusst – und du bist angekommen.“ Wie kann das aber möglich sein? Das ist meine Frage als Frau. Man soll es tun, vielleicht ist es möglich. Aber was ist dann der Sinn davon, dass wir hier im Körper inkarniert sind?

Der weibliche Aspekt Gottes ist der Prozess in der Zeit - das ewig Neue, das noch nie Dagewesene, Jungfräuliche von jedem Augenblick. Zeit ist ein Aspekt der Ewigkeit, so wie die Gerade ein Teil des dreidimensionalen Raumes ist. Wir sind aus der Ewigkeit in die Zeit herunter gestiegen; wir sind nicht herunter gefallen, wir sind herunter gekommen. Wir sind auf die Erde geschickt worden. Damit wurde uns die Möglichkeit der Transformation geschenkt. Und der weibliche Aspekt Gottes trägt uns in dem Prozess durch die Zeit.

Darüber gibt es ein schönes Bild im alten Testament – in der Form des Stabes von Aaron, den Mose zur Erde wirft und dadurch zur Schlange verwandelt. Der Schöpfer hatte eine Idee, was ein Mensch ist. Eine Idee ist wie ein Lichtstrahl, der die Erde berührt. Wir können nur den untersten Teil von ihm sehen: Er könnte mit einem Stab verglichen werden, den wir berühren und ergreifen können. Mit anderen Worten, wir können etwas erkennen und formulieren und uns deshalb daran festhalten. Aber eine Idee ist nicht lebendig. Eine Idee ist schön, aber was kann man mit ihr in der Praxis anfangen?

Moses warf den Stab Aaron’s aus der vertikalen Richtung auf den Boden in die Horizontale und er wurde lebendig und bewegte sich wie eine Schlange. Gleichzeitig verlor der zur Schlange gewordene Stab die Verbindung zur Vertikalen, zur Quelle. Das ist der Grund, warum das Bild einer Schlange in so vielen Lehren vorkommt. Es stellt den Lebensprozess dar. Im Paradies war es ebenfalls die Schlange, welche uns aus dem Seinszustand herausnahm, in welchem wir in Kontakt mit Gott waren, und uns hineinführte in den Prozess in der Zeit. Die Vertikale ist das Sein – das Männliche und die Horizontale ist das Werden - das Weibliche.

Es gibt einige bildliche Darstellungen im Christentum, in denen die Schlange am Kreuz vertikal aufgerichtet ist. In diesen Bildern ist der horizontale Lebensprozess mit der vertikalen Dimension der Idee verbunden. Hier sind die beiden Aspekte zusammengebracht: Es ist das Werden des Seins.

Ein Gleichnis im Neuen Testament erzählt von einem kranken Mann, der gelähmt ist und auf einem Bett liegt. Er wurde, von vier Männern getragen, zu Jesus gebracht. Jesus sagte zu ihm: „Steh auf und gehe!“ (Jesus sagt immer „und gehe!“) Die Botschaft an uns ist, dass wir unser horizontales, tägliches Leben mit der vertikalen Dimension des Seins in Kontakt bringen sollen. Bleibt nicht stecken, werdet lebendig, aber erinnert euch: Ihr seid! Das ist die Bedeutung des Kreuzes; der männliche, schöpferische Aspekt des vertikalen Balkens kommt in Berührung mit der Erde. Das Weibliche im Prozess der Wandlung und Transformation ist der horizontale Balken. Das Wichtigste bei der inneren Arbeit ist am Kreuzungspunkt des Kreuzes zu sein. Im gegenwärtigen Moment zu sein heisst, sich gleichzeitig des Prozesses in der Zeit wie der Ewigkeit bewusst zu sein. Das bedeutet: Den männlichen und den weiblichen Aspekt der Einheit in sich selbst zusammenzubringen.

Der Mann, als Vertreter des männlichen Aspektes der Einheit (Gottes) trägt die Erinnerung der Ewigkeit in sich. Wenn er diesen Ewigkeitsaspekt des Jetzt verliert, versteht er Ewigkeit als Unendlichkeit, welche weiter und weiter auf ein Ziel hinführt. Ein solcher Flug endet oftmals schmerzlich mit einem Aufprall an einer Wand des Widerstandes. Das ist der männliche Weg der Orientierung – auf ein Ziel hin orientiert sein.

Frauen sind Raum orientiert. Was bedeutet das? Wir Frauen nehmen das wahr, was im Raum um uns herum geschieht und getan werden muss. Als Beispiel: Es kann geschehen, dass ich (als Frau) in den Keller hinunter gehe, um eine Zwiebel zu holen. Unterwegs sehe ich, dass eine Blume Wasser braucht und ich erinnere mich, dass ich meiner Mutter telefonieren sollte. Danach renne ich in die Küche zurück, wo die Kartoffeln bereits verkocht sind – und wo ist die Zwiebel? Wir Frauen kennen das. Es ist das Weibliche, ohne Integration des Männlichen; wir sehen alles was zu tun nötig ist, aber wir vergessen das Ziel, unsere Absicht.

Zweiter Teil


Ich möchte euch noch einige neue Impulse mehr geben, die ihr selbst zusammenfügen könnt, damit sie eure eigene Welt bereichern. Es ist kein geschlossenes System, was ich anbiete – es sind Erkenntnisse, die auf Grund meiner Beratungspraxis jahrelang gewachsen sind.

In den Grundlagen des Taoismus heisst es, dass der Mensch zwischen Tao und Erde steht. Mit anderen Worten, der Mensch ist zwischen Himmel und Erde hingestellt. Er ist die Brücke zwischen Himmel und Erde. Man kann sagen, dass der Himmel ein Bild für die Welt der Ideen ist – oder der Ewigkeit, der grösseren Dimension, woher wir kommen. Es ist als schlummernder Keim tief in unser Unbewusstes angelegt. Statt von „Tao und Welt“ oder von „Himmel und Erde“ können wir ebenfalls von den „Dimensionen der schaffenden Welt und der geschaffenen Welt“ sprechen.

Die „wirkliche“ oder wirkende Welt, wo Schöpfung geschieht, braucht eine Welt der „Verwirklichung“. Der aktive, männliche Aspekt der Einheit braucht den passiv-empfänglichen, weiblichen Aspekt der Einheit – sie bedingen einander. Und sie brauchen den Menschen als Brücke, um miteinander verbunden werden zu können. Diese beiden Welten sind innerhalb von jedem Menschen. Heisst es doch im Neuen Testament: „Das Himmelreich ist in euch“.

Da der Mann und die Frau „im Bilde Gottes“ erschaffen sind, repräsentieren sie diese beiden Aspekte der Einheit auf der Ebene des Menschen – was eine kosmische Aufgabe bedeutet.

mann frau 400


Als solche sind der Mann und die Frau gleichwertig – das wird auf der Zeichnung verdeutlicht, indem beide die gleiche Grösse haben. Sie sind aber nicht auf den gleichen Platz hingestellt. Der Mann ist dem Himmel näher und die Frau ist der Erde näher. Sie haben unterschiedliche kosmische Aufgaben. Dementsprechend sind die Strukturen ihres Körpers und ihrer Psyche ebenfalls unterschiedlich.

Der Mann kennt den niederen Teil der Frau nicht, deshalb erkennt er ihn auch nicht, noch versteht er ihn. Die Probleme der täglichen Aufgaben sowie die meisten der verschiedenen Anforderungen des täglichen Lebens kann der Mann ebenfalls gelegentlich meistern, und manchmal tut er es auch gut. Dies jedoch jeden Tag und tagtäglich viele Male tun - kochen, putzen, Ordnung in die Komplexität des Alltags hineinbringen, usw. – den ganzen Tag, sieben Tage in der Woche, das ganze Jahr über, ein Leben lang – dies ist jenseits der gegebenen Natur des Männlichen.

Als Konsequenz hat die Frau das Gefühl, dass sie nicht verstanden wird; der Mann sieht sie nicht. Wenn das Weibliche nicht gesehen wird, dann wird es böse, wird zum „Teufel“. Was ist das „Böse“? Es ist die Frau – oder auch das Weibliche im Mann – das nicht erkannt wurde.

Die Seele des Mannes ist weiblich. Wenn sie nicht gesehen wird, wird sie teuflisch. Es ist immer das Weibliche, das sich auf dem Weg der Entwicklung befindet und noch nicht „fertig“ ist. Es ist die Seele in uns, die einen Weg geht, nicht unser Geist. Die Seele ist auf dem Weg und ist deshalb unvollkommen. Doch das noch Unvollkommene in uns zu kritisieren oder abzulehnen, ist wie eine zarte, wachsende Pflanze festzuhalten und an ihr zu ziehen, damit sie wachsen möge. Auf diese Weise reissen wir ihre Wurzeln aus, hindern ihre Entwicklung und im schlimmsten Fall zerstören wir sie.

Dies ist nicht nur eine Angelegenheit zwischen einem Mann und einer Frau, sondern in jedem Menschen eine innerseelische Beziehung. Das Verhältnis zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen kann sowohl in der Beziehung von Mann und Frau wie auch in der inneren Welt jedes Menschen erkannt werden. Das kosmische Muster tragen wir alle in uns als Same. Die äussere Beziehung kann uns allenfalls als Spiegel dienen, damit das, was sich in uns abspielt, besser erkannt wird.

Andererseits wird jener Teil im Mann, der dem Himmel näher ist, von der Frau nicht gesehen. Die Frauen sagen, dass der Mann in den Wolken lebt; sie wundern sich, warum er nicht umsetzt, was er erkennt. Er tut es nicht, weil der niedere, verwirklichende Teil in ihm fehlt. Er ist nicht fähig das zu leben, was er weiss. Und das ist für die Frau nicht nachvollziehbar. Die Frau meint, wenn sie etwas tun kann, dann sollte der Mann auch dazu fähig sein.

In der Zeichnung gibt es einen gemeinsamen Teil, der die gegenseitige Verständigung ermöglicht. Durch den Austausch in diesem Bereich kann eine Frau nach oben wachsen und ein Mann in die Inkarnation hinunter steigen. Auf jeden Fall sind sie beide miteinander grösser, als wenn der Mann oder die Frau, ohne aufeinander bezogen zu sein, für sich bleiben. Durch den andauernden Austausch wird für beide ein innerer Wachstumsprozess möglich.

Nur das Höhere kann das Niedere erkennen. In jedem von uns ist nur das Männliche fähig, den weiblichen Anteil in uns, die Seele, zu sehen. Das ist auch der Grund, weshalb der Mann die Frau oft besser verstehen kann als sie sich selbst. Andererseits kann die Frau besser verwirklichen. Ihr Problem ist, dass sie Mühe hat zu erkennen, was sie zu verwirklichen hat. So kann sie sich leicht aus falschen Vorstellungen opfern, ohne dass sie damit eine wahre Hilfe für den Mann wäre

Das Ziel für beide ist Wachstum – ein verwirklichter Mensch zu werden – und als solcher Himmel und Erde in sich selbst zu verbinden. Es ist wichtig für Männer, ihre Verbindung zum Himmel nicht zu verlieren, sich nicht in die Welt der Frauen hinunter ziehen zu lassen. Jene sensiblen Männer, welche das tun, indem sie sich um den Haushalt und die Kinderbetreuung kümmern, aber keine Verbindung zum Himmel haben, können angenehme Partner sein. Sie sind in der Regel jedoch für Frauen als Männer nicht interessant.

Wenn Frauen wie ein Ballon nach oben zum Himmel abheben, verlieren sie ihre weibliche Energie und Ausstrahlung. Das kann durch ein falsches Verständnis von Emanzipation geschehen. Dann verstehen wir Spiritualität als ein „Hinaufsteigen“ wie ein Luftballon, der der Erde entflieht. Ziel ist es, wie Bäume zu wachsen; mit den Wurzeln tiefer und tiefer in die Erde hinunter - und mit der Krone höher und höher in den Himmel hinauf. Das ist eine der Bedeutungen des Lebensbaumes als Bild für das innere Wachstum des Menschen.

Weibliche Spiritualität ist ein wichtiges und grosses Thema. Die Frauen haben in der westlichen Welt das Problem, dass die bekannten spirituellen Traditionen durch Männer für Männer geschaffen wurden und auch durch Männer repräsentiert werden. Wir Frauen brauchen etwas anderes. Ich gebe euch ein Beispiel:

Reshad Feild, dessen Lehre auf der Essenz der Mevlevi Sufi-Tradition aufgebaut ist, lehrte das Drehen in der Praxis. Dieses Drehen der Mevlevi wurde durch Jahrhunderte hindurch nur von Männern praktiziert. Im Europa und Amerika der siebziger Jahre wurde Frauen das erste Mal erlaubt, am Drehen der Mevlevi teilzunehmen. Ich nahm ebenfalls an der Ausbildung des Drehens teil. Eines Tages erwachte die Frage in mir: Brauche ich das? Die Antwort war sehr klar: Es gab keine Notwendigkeit für mich zu drehen. Es geht nicht darum, den Frauen auch das Drehen zu erlauben sondern darum, herauszufinden, was Frauen brauchen, um ihre Funktion in der Welt zu erfüllen und dadurch gleichzeitig ihrer eigenen Verwirklichung näher zu kommen.

Es ist schwierig spirituelle Systeme zu finden, die speziell für Frauen entwickelt worden sind. Einige positive Beispiele sind Atem Therapien, wie die „Middendorf“ oder „Rosen“ Methode, beide durch Frauen entwickelt. Die Frauen haben immer noch eine männliche Orientierung. Das Problem dabei ist, dass sie es selbst nicht bemerken. In den letzten Jahrzehnten bedeutete die „Emanzipation der Frauen“ das Entdecken und Beweisen, dass Frauen die gleichen Fähigkeiten und Möglichkeiten haben wie Männer. Das Weibliche wurde dabei übersehen, es erhielt nicht jenen Wert, den es verdient. Ich frage mich, wer denn sonst den Wert des Weiblichen sehen sollte, wenn nicht die Frauen selbst? Warten die Frauen auf Männer, die es sehen? Und was ist überhaupt der Wert des Weiblichen?

In unseren Köpfen geistert die Vorstellung, dass das Weibliche schmelzend ist, fliessend, weich und angenehm für alle. Das ist wieder eine ziemlich oberflächliche Wunschvorstellung der Männer. Der reine weibliche Pol ist Widerstand. Das ist die reinste Form des Weiblichen, die wir noch erkennen können. Nur der Widerstand einer Frau kann dem Mann helfen seinen eigenen Widerstand zu überwinden. Und umgekehrt: Nur die sonnige Natur des Mannes kann einer Frau helfen, über ihre irdene Schwere hinauszuwachsen.

Ich möchte noch von einem anderen Aspekt zwischen Mann und Frau sprechen. C.G. Jung benutzte das Konzept von „Anima und Animus“. Der Animus ist das Männliche in der Frau und die Anima ist das Weibliche im Mann.

anima animus



Nur eine Frau kann einen Mann auf die Welt bringen – nicht nur als Mutter. Dies ist ein schöner Ausdruck in der deutschen Sprache. Man könnte auch sagen, in die Inkarnation bringen. Das ist keine leichte Aufgabe. Frauen tragen einen Mann entweder unendlich lange, was ihn zu einem „Riesen-Baby“ macht – oder sie ziehen ihn hinunter und lassen ihn fallen, indem sie ihn „loslassen“. Wir sind uns unserer Aufgabe nicht bewusst. Ein Mann weiss, dass er getragen werden muss bis er herabsteigend auf der Erde gelandet ist und sich selbst zu tragen fähig ist.

Frauen sehnen sich danach, durch einen Mann erlöst zu werden. Es ist eine unmögliche Situation, worin wir stecken. Der Mann kann eine Frau nicht erlösen, solange er selbst getragen werden muss – und wir Frauen sind solange nicht fähig einen Mann zu tragen, bis wir nicht erlöst wurden. Es scheint eine aussichtslose Situation zu sein!

Als ich jung war, hatte ich eine intensive Verbindung zu Yoga. Irgendwo hatte ich aufgeschnappt, dass es die Aufgabe einer Frau sei, den Mann zur „Erleuchtung“, zur Verwirklichung zu bringen. Das empörte mich. Erst später verstand ich, dass eine Frau, die dies vollbringen kann, bereits selber zum verwirklichten Menschen geworden ist.

Die Grafik ist sehr einfach. Eine Frau ist in ihrer Weiblichkeit empfänglich für die Welt; ihr Körper ist die Grundlage dafür. Nach innen ist sie männlich. Der Mann ist gegenüber der Welt aktiv und in seinem Innern ist er empfänglich. In diesem Zusammenhang entsteht die Notwendigkeit einer klaren Unterscheidung. Die Frau wird durch eine wilde männliche Kraft getrieben, da der Animus noch nicht gezähmt und integriert ist. In der Jungschen Psychologie gibt es einen Ausdruck für eine Frau, welche von ihrem Animus besetzt ist: Sie ist Animus-besessen. Es gibt immer mehr solche Frauen in unserer Zeit, besonders in der westlichen Welt. Ein wesentliches Merkmal dieser Frauen ist, dass sie intelligent sind, mit einem klaren Verstand – und „immer“ Recht haben! Die Formulierung eines guten Freundes trifft den Punkt: „Der Mann weiss alles und die Frau hat immer recht“

Als ich etwa 40 Jahre alt war, sagte mir ein älterer spiritueller Lehrer, dass mein Problem nicht ist, dass ich denke, ich hätte recht, sondern dass ich meistens tatsächlich recht habe. Ich konnte nicht verstehen, warum das ein Problem sein sollte. Es dauerte lange, bis ich begreifen konnte, dass es im Leben nicht darauf ankommt, Recht oder Unrecht zu haben: Liebe fängt dort an, wo das Rechthaben aufhört. Dann kann sich erst die Frage stellen, was denn gebraucht wird, damit es richtig wird…

Anima, das Weibliche im Mann, hält die männlichen Energien gefangen. Das heisst, dass er in festen, kristallisierten Strukturen stecken bleibt; er entwickelt einen „militanten“ Geist oder wird von seinen Emotionen durch starke Überreaktionen im täglichen Leben überschwemmt.

Wir haben gelernt, den Willen als Werkzeug des Männlichen einzusetzen. Ohne Willen sind wir lebensunfähig: All jene vom Leben angebotenen Widerstände würden uns überrollen und die Trägheit – als ein mächtiger Ausdruck von Widerstand – würde uns von innen her lahm legen. Auf der anderen Seite setzen wir Willen ein, bevor wir die Natur dessen, was wir „bewältigen“ wollen, verstehen. Oft ist der Wille nichts anderes als ein Herumstampfen auf einem fruchtbaren Boden, nur weil er nicht so Früchte trägt, wie wir es uns vorstellen. Das ist kontraproduktiv: Die Erde braucht gelockert, „gehoben“ zu werden, damit sie fruchtbar wird.

Den Willen können wir am besten mit einem Sonnenstrahl vergleichen: Es gibt nichts, was für unsere Wahrnehmung männlicher wäre. Er bewegt sich mit der höchst möglichen Geschwindigkeit, verändert sich nicht – verändert weder seine Richtung noch seine Geschwindigkeit, verliert nichts und bewirkt nichts. Er rast durch unendlichen Raum und Zeit – ins Nichts hinein. Wenn er nicht auf ein Hindernis stösst, das ihn stoppt, wird er sich weiter und immer weiter, Jahrmilliarden lang, von der Quelle entfernen – und kann, sich selbst überlassen, nicht umkehren.

Es gibt ein schönes Märchen über die männliche und die weibliche Energie, das ein kosmisches Muster beinhaltet: Hänsel und Gretel. Das ist der Grund, weshalb es all die Jahrhunderte überdauert hat. Gretel muss der Hexe dienen und hart arbeiten, während Hänsel in einem Käfig gefangen ist. Das ist das kosmische Muster vom Weiblichen und Männlichen: Beide sind in der Gewalt einer magischen Kraft der Natur, die sie für ihre Zwecke braucht. Erst wenn die Zeit reif ist, kommen Hänsel und Gretel zusammen und können gemeinsam dem Zauber der Hexe entfliehen. Sie wird von den beiden in einen Ofen gestossen. Das bedeutet, die Energie wird durch das Feuer transformiert. Die Hexe wird im Ofen verbrannt. Brennen ist Transformation. Ob wir es als Feuer der Hölle oder Fegefeuer erfahren - oder als Feuer der Liebe, es ist in allen Fällen Feuer.

Was geschieht in einer Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, wenn sie verliebt sind? Nach C.G. Jung müssen sich alle vier Anteile begegnen, um eine volle Beziehung zu leben. Das bedeutet, nicht nur die äusseren, körperlichen Merkmale ziehen einander an, sondern auch die inneren Züge: Ich liebe ebenfalls die weibliche Seele des Mannes, seine zarte Anima – und der Mann liebt auch den Animus in mir. Auf diese Weise können alle vier eine tiefe Beziehung miteinander eingehen. Diese Zartheit der Seele von „rauen“ Männern kann zum Beispiel in einem Männerchor zum Ausdruck gelangen.

Es kann auch vorkommen, dass der männliche Animus der Frau in Beziehung zum Mann ist. Dies äussert sich in fortwährenden Kämpfen zwischen den zwei männlichen Polen. Umgekehrt können die weiblichen Seiten von beiden, die Anima des Mannes und der Frau, eine harmonische, friedliche Beziehung miteinander haben, aber diese Art von Beziehung ist weniger kreativ und kann mit der Zeit langweilig werden.

Wie auch immer, dieses Modell kann auf eine einfache Art und Weise helfen zu erkennen, was einer gelebten Beziehung zu Grunde liegt.

Dritte Teil


Nach einer Atemübung gibt es die Möglichkeit Fragen zu stellen.

Frage: Ich möchte Sie auf etwas ansprechen, was sie am Ende der Broschüre schreiben: Was ist Treue? Meinen Sie die Treue des Herzens?

Agi: Ich habe vermutet, dass diese Frage kommen würde. Treue, wie wir sie verstehen, ist eine Sache, die von Männern definiert wurde. Ein Mann muss lernen sich „anzubinden“. Sonst bliebe er im engsten Sinne des Wortes flüchtig – er „geht weg“, sobald Anforderungen an ihn gestellt werden. Er muss lernen, sich durch Verpflichtung festzulegen. Das ist die Verwirklichung von Ewigkeit in die Zeit hinunter transformiert; Ewigkeit in seinem positiven Aspekt. Das bedeutet: Sich verpflichten, sich der Erfüllung einer Aufgabe hingeben – bis zur Vollendung.

Der weibliche Aspekt von Treue bedeutet dem gegenwärtigen Augenblick treu zu sein. Jeder Moment ist neu und es gilt für die Gegenwart wach zu sein. Der Mann versteht dies in der Frau nicht und wir können von ihm auch nicht erwarten, dass er es versteht. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Frau jeder Stimmung nachgeben sollte. Es ist ein langer Prozess, bis wir zwischen den wechselnden Stimmungen einerseits und den Bedürfnissen und Möglichkeiten des gegenwärtigen Augenblicks anderseits unterscheiden können. Das ist die Treue im weiblichen Aspekt der Einheit – zum ewig Neuen - die Erkenntnis der Einzigartigkeit des lebendigen, jungfräulichen Augenblicks der Schöpfung - der Jetzt geschieht.

Dies ist ein gutes Beispiel für die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau. Eine starke Frau, die in ihrem weiblichen Ursprung verwurzelt ist, weiss das und kann es klar und deutlich wahrnehmen und entsprechend leben - unabhängig davon, ob sie verstanden wird oder nicht.

Frage: Sind Sie treu, wenn Sie mit jemandem zusammenleben, aber Ihr Herz fühlt sich zu jemand anderem hingezogen?

Agi: Niemand kann von aussen her sagen, ob das aus richtig verstandener Treue geschieht; es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Was für jemanden richtig ist, kann für jemand anderen falsch sein. Was gestern richtig war, kann heute falsch sein. Das ist die Bedeutung von Treue dem gegenwärtigen Augenblick gegenüber, treu dem eigenen Herzen gegenüber. Einzig und allein wir selbst tragen die Verantwortung für unsere Entscheidungen, die wir auf Grund der Impulse des Herzens treffen. Es gibt einen wunderschönen Film zu diesem Thema: „Die Brücken am Fluss“ von und mit Clint Eastwood und Meryl Streep.

Die Schwäche der Frauen besteht darin, dass sie auf die Bestätigung des Mannes warten: „Ja, du bist gut und richtig.“ Aber das ist immer noch das kleine Mädchen in uns, das darauf wartet, vom Vater akzeptiert zu werden. Frauen sind allein mit dieser Verantwortung. Wenn sie diese wahrnehmen, werden sie sehr stark. Ein Mann kann nie so stark werden, wie eine Frau. Andererseits kann eine Frau nie so sensibel werden wie ein Mann. Das Problem der Sensibilität von Männern ist, dass sie ganz darauf ausgerichtet ist, ihre, durch Konditionierung der Vergangenheit beruhende Identität zu verteidigen. Das empfinden die Frauen als egoistisch. Es ist ein Zeichen von Reife, wenn der Mann seine Sensibilität auf seine Partnerin und seine Kinder – auf die Bedürfnisse der Welt richten kann.

Die Frau kann nicht erwarten, von einem Mann verstanden zu werden. Diesbezüglich habe ich ein wunderbares Beispiel erlebt mit Professor Leboyer, der sein Leben für die „sanfte Geburt“ der Frauen widmete. Im Rahmen eines internationalen Kongresses besuchte ich eine Vorlesung von ihm mit anschliessendem Workshop. Ein junger Mann aus der Gruppe drückte seinen Dank aus, da die Geburt seines ersten Kindes mit der Methode von Leboyer vorbereitet wurde. Der junge Mann war bei der Geburt anwesend gewesen und sagte, dass er seither seine Frau viel besser verstehen würde.

Der Professor, ein kleiner Mann mit einer mächtigen Präsenz, griff den armen Mann an wie ein Falke eine kleine Maus und sagte: „Junger Mann! Sie sind ein Mann. Sie werden nie die Möglichkeit haben eine Frau zu verstehen!“

Ich kann dasselbe für Frauen sagen: Wir sind anders als Männer. Frauen wissen nicht wie es sich anfühlt ein Mann zu sein. Reijo sagt manchmal: „Es ist schwierig, Reijo zu sein.“ Wir können einander nur dann begegnen, wenn wir füreinander Respekt haben. Denkt nicht, dass dies unbedingt auf gegenseitigem Verständnis gründen muss. Es ist wichtig, dass wir Männer und Frauen nicht miteinander vergleichen. Sie leben in verschiedenen inneren Welten, mit verschiedenen psychischen Strukturen und unterschiedlichen Funktionen. Erinnert euch an die erste Grafik.

Frage: Ich habe Ihre Definition eines „weichen Mannes, der die Verbindung mit dem Himmel verliert“ nicht richtig verstanden. Was bedeutet das?

Agi: Wenn ein Mann sich selbst aus der Perspektive der Frau sieht, dann verliert er seinen Anker im Himmel. Es gibt ein Buch mit dem Titel: „Männer lassen lieben. Die Sucht nach der Frau“ von Wilfried Wieck. Das Thema des Buches ist, dass Männer geliebt werden wollen und sich von Frauen lieben lassen, aber selbst unfähig sind zu lieben; sie sind in ihrer Liebe nicht aktiv. Das Buch ist ein Eingeständnis der fehlenden Beziehung zum Göttlichen im Mann, der die Verbindung zum Himmel verloren hat.

In der Schweiz sind die meisten jungen Väter sehr aktiv innerhalb der Familie. Das ist auch notwendig, doch das Ergebnis ist, dass das Kind schlussendlich zwei Mütter und keinen Vater hat. Die Rolle des Vaters unterscheidet sich von der Rolle der Mutter. Solche Männer, die fähig sind im Alltag zu funktionieren, verstehen selten, was die Rolle des Vaters wirklich bedeutet.

Frage: Was ist die Rolle des Vaters?

Agi: Die Mutter versteht das Kind zu jeder Zeit. Sie beschützt das Kind, was immer auch geschieht. Der Vater weiss, was getan werden muss, damit das Kind aufwachsen und unabhängig werden kann. Ich gebe euch ein Beispiel von einer Familie – Vater, Mutter und ein kleines Kind – die ich einmal im Winter beobachtet habe. Das Kind ist vermutlich das erste Mal auf Skiern gestanden. Es versuchte, sich mit diesen Skiern fortzubewegen, aber es fiel immer wieder um. Die Mutter half ihm jedes Mal auf die Beine. Nachdem sich diese Szene etwa ein Dutzend Mal wiederholte, griff der Vater ein. Als das Kind erneut umfiel, zog der Vater die Mutter vom Kind weg; es sollte lernen, selbst aufzustehen.

Das Kind kann vom Vater in dieser Situation nicht erwarten, dass er „lieb“ zu ihm ist. Und der Vater kann nicht vom Kind erwarten, dass er als „der liebe Papi“ erkannt wird. Vielleicht kann es im Alter von 50 oder 60 Jahren verstehen, wozu der Vater in seiner Liebe fähig gewesen ist und was er dadurch für das Kind getan hat. Die meisten Männer sind sich der Notwendigkeit dieser Rolle nicht bewusst und sind nicht klar genug – und Frauen mögen die Art nicht, wie ein richtiger Vater handelt. Die Art, wie Frauen ihren Sohn behandeln, führt nicht dazu, dass aus ihm jemals ein Mann wird. Eine Frau kann tun was sie will, aber sie kann keinen „Mann“ aus ihrem Sohn machen. Er braucht den Vater dazu – oder einen anderen Mann als männliches Vorbild.

So wie wir unseren Vater im Himmel haben und unsere Mutter Erde, brauchen die Kinder in den Eltern beide Qualitäten. Eine der Rollen eines Mannes ist Vater zu sein – und eine der Rollen einer Frau ist Mutter zu sein. In unserer Erziehung wird zu wenig Wert darauf gelegt, auf diese Rollen vorbereitet zu werden.

Frage: Was ist, wenn eine Tochter keinen Vater hat?

Agi: Für ein Mädchen ist die Mutter wichtiger. Durch ihre Mutter wächst sie in ihre Frauenrolle hinein. Durch die Einstellung der Mutter zum Mann und zum Leben wird ein Mädchen ihr Leben gestalten.

Frage: Was geschieht, wenn eine Frau den Kontakt zur Erde verliert – was geschieht dann mit den Rollen?

Agi: In einer solchen Situation übernimmt die Frau die Rolle des Mannes – mit ihrem Intellekt, ihrem Wissen, usw. Sie sieht dann oft die Mängel der anderen und hat deshalb auch in der Beziehung zum Mann Schwierigkeiten. Sie hat den Kontakt zur Erde, zur lebendigen Wirklichkeit, verloren und wird dann oft vom inneren „Rumpelstilzchen“ beherrscht.

Es gibt einen wunderschönen Film namens „Ladyhawke“ Der Film gründet auf einem 700 Jahre alten Märchen über einen Mann und eine Frau - eine Geschichte, in welcher universelles Wissen in spannende Bilder gekleidet ist. Während des Tages ist die Frau in einen Falken verzaubert, hat also den Kontakt zur Erde verloren. Während der Nacht ist der Mann in einen Wolf verwandelt und verliert in diesem Zustand den Kontakt zum Himmel. Deshalb können die beiden nicht zusammen kommen. Die Geschichte handelt davon, wie sie den Zauber brechen können. Ich zeige diesen Film oft in meinen Seminaren.

Frage: Sollten alle Frauen zuhause der Geist des Hauses sein, die Betreuung der Kinder übernehmen und für die Zubereitung des Essens zuständig sein? Dann bin ich in Schwierigkeiten, denn ich schäle nicht gerne Kartoffeln, es nimmt mir jeden Tag zwei Stunden weg.

Agi: Wovon nimmt es Zeit weg? Wir möchten Zeit sparen und verlieren das Leben damit (siehe das geniale Buch von Michael Ende „Momo“). Jemand muss die Kartoffeln schälen – warum nicht gerade ich?

In der heutigen Zeit unterliegt die Rolle der Frau einem grossen Wandel. Das ist es, wovon ich am Anfang gesprochen habe. In den letzten 2000 Jahren, im Zeitalter der Fische, war das Zeichen des Weiblichen die Jungfrau, welches dem Zeichen der Fische gegenüberliegt. Das Zeichen Jungfrau repräsentiert „das Dienende“; es gründet auf dem Prinzip und der Energie des Dienens auf jeder Ebene. Auf diese Weise hat die Mutter Gottes, die Jungfrau Maria, „Sohn Gottes“ geboren, um der kosmischen menschlichen Aufgabe zu dienen.

Die gegenüberliegende Energie des neuen Zeitalters Wassermann ist Löwe. Gemäss dieser Energie werden die Frauen immer stärker. Das ist nicht die dienende Jungfrau, welche durch die kosmische Energie der Vergangenheit genährt wird. Die neue kosmische Energie unterstützt einen bestimmten Aspekt des Seins in jeder Frau, welcher die „Himmelskönigin“ genannt werden kann. Dies gilt auf jeder Ebene - und dieses Gefühl der Himmelskönigin wird kollektiv manifestiert. Die Zukunft liegt in den Händen der Frauen und die Menschheit hängt von deren Reife ab. Macht allein – ohne Verstehen – kann sehr gefährlich sein. Die Aufgabe lautet: Wie können Frauen Königinnen werden, wenn das Muster, das sie geerbt haben, das Muster der kleinen Magd ist?

Auf dem niedrigen Niveau des Bewusstseins ist das ein Problem in der ganzen Welt. Wird die Macht der Frauen nicht gleichzeitig mit Wissen und Liebe genährt, wird es gefährlich. In der Vergangenheit haben Männer Frauen unterdrückt und jetzt besteht die Tendenz, dass Frauen mehr und mehr Männer unterdrücken. Wir sind heute soweit, dass die Frauen die Männer nicht einmal mehr zum Kinderzeugen brauchen. Warum sollte eine Frau die Schwierigkeiten auf sich nehmen, die eine Partnerschaft mit einem Mann mit sich bringen, wenn dies nicht mehr nötig ist? Es ist eine grosse Herausforderung für Frauen mehr Macht zu erhalten.

Frage: Ich habe ein Anliegen, das diese beiden Fragen betrifft. Wenn das Problem darin besteht, dass Männer weiblich werden und die Welt durch weibliche Prinzipien betrachten, dann habe ich das Gefühl, es ist ein grösseres Problem, dass Frauen allzu männlich werden. Wenn zum Beispiel die Kinder in einer Weise erzogen werden, das einem Jungen oder einem Mädchen alles zu tun erlaubt, werden sie durch die Mutter nicht länger beschützt und behütet. Ist dies auch Ihre Sicht, dass Frauen die Welt mehr durch die Augen des Mannes sehen?

Agi: Ja, denn die Art der Orientierung der Frauen ist auch in der Tiefe der Psyche männlich. Durch die Verweiblichung der Männer werden Frauen mehr in die männlichen Rollen gedrückt. Es besteht eine Wechselwirkung in diesem Prozess, die diese Verschiebung der Rollen verstärkt.

Es spielt eigentlich keine Rolle, wenn die Mutter mehr wie ein Vater ist und der Vater mehr wie eine Mutter. Es ist besser für ein Kind, wenn die Rollen getauscht werden als wenn es zwei Mütter oder zwei Väter hat.

Frage: Ist das nicht ein Problem zwei Väter zu haben?

Agi: Das Problem ist, dass heute, nach dem allgemeinen kollektiven Verständnis, Mann und Frau gleich sind; sie können das gleiche tun und auf gleiche Weise funktionieren. Wir sehen den Unterschied zwischen den beiden nicht. Die „Kinder des Wassermann-Zeitalters“ sind wie Engel; ohne Sinn für Geschlechter, was ein Symptom der neuen kosmischen Energie ist.

Zum Beispiel bewegen sich die Frauen heutzutage in sportlichen Aktivitäten als hätten sie nie etwas über ihre Menstruationszyklen gehört, sie beachten sie gar nicht. Die Zeit des Männlichen der Spezies verläuft fortlaufend, linear - und durch sie auch das Leben. Die Zeit des Weiblichen verläuft zyklisch. Wenn die Frauen sich dessen nicht bewusst sind und den Sinn davon nicht verstehen, dann verlieren sie ihre weibliche Orientierung: Das Verständnis, dass das Leben selbst zyklisch verläuft und dass dieser Rhythmus des Lebens die einzige Möglichkeit der Erneuerung bietet.

Mit diesen Impulsen wollte ich zeigen, dass unser tägliches Leben mit seinen Beziehungsproblemen ihren Ursprung in beiden Seiten der Einheit hat. Die Muster haben ihre Wurzeln in einer universalen Dimension und wir erleben sie auf der menschlichen Ebene. Unsere persönlichen Themen im Leben sind in ihrem Ursprung universell. Wenn wir fähig sind dies zu verstehen, können wir die darin liegenden Herausforderungen erkennen und sie müssen nicht zu dramatischen Problemen und Tragödien heranwachsen.

Ich wünsche euch, dass ihr alle eure männliche und weibliche Identität finden könnt; Die Identität, welche im Wesen Gottes gründet. die Welt braucht es dringend. Wir sind dabei, eine neue Welt zu erschaffen und das braucht klare Erkenntnisse. Es ist die Grundlage für eine neue Tradition, in welche die nächsten Generationen hineingeboren werden.

Es gibt noch viele Fragen, die offen bleiben. Ich hoffe, dass ihr von hier mit mehr Fragen wieder ins Leben hinausgeht als ihr mitgebracht habt!

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Anmerkungen



Fragen sind auch per E-Mail willkommen, wenn ihr welche habt. Diese Vorlesung steht im mp3 Format in englischer Sprache zur Verfügung, mit finnischer Übersetzung. Sie kann per E-Mail bestellt werden.

Dr. Frederick Leboyer war der erste Arzt, welcher den tief verwurzelten Glauben der Gesellschaft über das Bewusstsein von Neugeborenen in Frage stellte. Seine bahnbrechenden Arbeiten über Geburt, einschliesslich „Geburt ohne Gewalt“, haben den Lauf der Schwangerschafts-Vorsorge sowie die Art und Weise wie Babys auf die Welt gebracht werden für immer revolutioniert. Er war ebenfalls ein Pionier in der Einführung der Kind-Massage in der westlichen Welt.

Frederick Leboyer besuchte Indien zum ersten Mal 1959. In den folgenden 20 Jahren verbrachte er jedes Jahr zwei Monate dort. Er entwickelte ein starkes Interesse für Yoga und seine Anwendungen für schwangere Frauen und junge Mütter, insbesondere was den Gebrauch der Atmung und des Klangs betrifft.

Die DVD zum Film „Ladyhawke“ kann in Amazon-Shops in USA und England bezogen werden:

Ladyhawke Der Film wurde 1985 gedreht. Der Direktor, Richard Donner, ist berühmt u.a. wegen seiner Filme „Superman“ und der Serie der vier Filme „Lethal Weapon“ mit Mel Gibson.)

Author; Agnes Hidveghy Kategorie: ARSSACRA

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Agnes Hidveghy

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