23
November
2017

Josef


«ZUERST HÖREN WIR DIE BOTSCHAFT, DANN SEHEN WIR SIE, UND NACHHER VERWIRKLICHEN WIR SIE.»


 

Br. Josef Belling OSB: Der hörende Josef (Maria Laach)

Diese kleine Statue fesselt meine Aufmerksamkeit. Sie beleuchtet wesentliche Aspekte, die von inneren Wissen zeugen. Aspekte, welche in spiritueller Traditionen Ausdruck finden und welche auf meinem Weg Orientierung geben.

Als Erstes fällt das grosse rechte Ohr auf. Ja, zuerst müssen wir uns öffnen, damit wir überhaupt aus einer höheren Dimension erreicht werden können. Inneres Wachsen beginnt indem wir lernen, zuzuhören. Die rechte Hand nimmt den Impuls mit auf. «Nur die rechte Hand kann von Oben empfangen und die Erde gehorcht der linken Hand», wie Johannes vom Kreuz, der grosse spanische Mystiker sagt.

Um zu verifizieren, ob das Gehörte wahr ist, brauchen wir uns auf den Weg zu machen, damit wir mit eigenen Augen sehen lernen: Die Bereitschaft dazu ist durch die grossen Füsse von Josef angedeutet. Zwischen Ohr und Füssen bilden die Arme und Hände eine Verbindung. Der Weg zwischen ihnen führt durch das Herz, durch das Zentrum unseres Seins: Das Gehörte senkt sich ins Herz und von dort aus wird die Richtung der Schritte durch die Haltung der linken Hand bestimmt.

Die grossen, offenen Augen erzählen davon , dass Josef auch sieht, d. h. erkennt, was er bereits gehört hat. Der Weg zwischen Hören und Sehen kann lang sein – es ist ein Weg des Wachsens und der Transformation. Der Begriff Verstehen deutet darauf hin: darin ist das Wort Stehen enthalten. Was wir wissen, muss bis in die Füsse in unsere Ganzheit einschmelzen und uns tragen können. Dieser Weg der Reifung braucht zwei grosse, tragfähige Füsse: der eine heisst Vertrauen und der andere ist Ausdauer.

Der betonte Bauch – der heilige Omphalos der Griechen - zeugt von einer Verankerung auf der Erde: Josef, der Handwerker, weiss, wie mit der Materie umzugehen ist. Er ist kein abgehobener Heiliger. Grosse Hände sind ihm gegeben – Hände zum Tun, zum Handeln.

Seine Seele, die reine Seele Marias mit dem Jesuskind, ist in der Truhe seiner Seele fest verschlossen. Nach Aussen ist nur ein Bild davon sichtbar. Das, was in der Truhe ist, ist nicht für die Augen der Welt bestimmt. Aber Josef kann sich darauf beziehen, das trägt ihn und strahlt aus – er braucht nicht darüber zu sprechen, wie der geschlossene Mund zeigt.

In diesem Josef ist Gott als Mensch inkarniert: seine Ohren sind zu Ohren Gottes, seine Hände und Füsse zu Händen und Füssen Gottes und seine Augen zu Augen Gottes geworden.

Es ist das Bild des verwirklichten Josefs, der als Möglichkeit in allen von uns angelegt ist und auf Verwirklichung wartet: in Dir, in mir, in uns allen.

Haben die Hirten nicht auch zuerst die Botschaft der Geburt Jesu von den Engeln vernommen? Erst dann haben sie sich auf den Weg gemacht, um den neugeborenen Messias mit eigenen Augen zu sehen.

ZITATE AUS DEM BUCH „STILLE NACHT, HEILIGE NACHT“ VON AGNES HIDVEGHY

„Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher
ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.

Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das
Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“
(Lukas. 2, 9-10)

„Wenn das eintritt, wonach sich unser Herz seit langem sehnt, sind wir überrascht, verwirrt. Bis dahin konnten wir nur eine Vorstellung haben, wie das sein wird, was wir sehnlichst herbeiwünschen. Wenn das Neue mit der «Klarheit des Herrn» unmissverständlich erkannt wird, ist es immer anders, als unser Bild davon. Das Bild, das wir selber erschaffen haben.

Jede Vorstellung ist vom Menschen erschaffen; das Erschaffene ist aber immer kleiner als sein Schöpfer. Die Wirklichkeit ist überwältigend grösser als der Mensch, sie entsteht doch jeden Augenblick neu vom Schöpfer des Universums. Und an diesem Neuen kann der Mensch in jedem Augenblick „Teil nehmen“, wenn er für den gegenwärtigen Moment offen ist und aus der Gegenwart empfängt.

Das Wort wird durch die Botschaft erkannt und verwirklicht: Botschaft und Fleisch haben doch den gleichen Stamm im Hebräischen. Darum steht der Engel, der Bote, zwischen dem «Wort», Logos, und der Fleischwerdung. «Zuerst hören wir die Botschaft, dann sehen wir sie, und dann verwirklichen wir sie.» heisst es in einer spirituellen Tradition aus dem Mittleren Osten. Durch den Engel wird das Hören eingeleitet, durch ihn wird das Sehen ermöglicht, indem er genau beschreibt, wo und wie der Messias, das «Fleisch gewordene Wort» zu finden ist. Den Weg müssen die Hirten selber gehen, hier, auf Erden, auf diesem Planeten, in dieser Zeit, jeder auf seinen eigenen Füssen, Schritt für Schritt. Den eigenen Weg, der in der ganzen Schöpfung einmalig ist. Das ist der Grund des Gefühls der Einsamkeit auf dem spirituellen Weg.

Die Zeichen des Kindes werden wiederholt: Die Windeln und die Krippe. Suchet nicht nach Gold und Glanz, nicht nach einem Palast oder einer beeindruckenden Umgebung. Keine Erleuchtung und kein grossartiger Adrenalinschub, keine überwältigende Selbsterfahrung wird das Zeichen sein, sondern ein Kind in Windeln gewickelt und in die Krippe gelegt. Der Glanz des Himmels und der Verkündigung ist das eine. Die Verwirklichung hier auf Erden das andere. Sucht den Glanz des Himmels nicht auf Erden, sonst geht ihr am Mysterium vorbei, ohne es zu erkennen. Wie es so vielen geschieht, weil sie das Sensationelle suchen. Weil sie das, was in das Gewöhnliche der diesseitigen Welt gewickelt ist, nicht erkennen.“

„Sich mit dem Gehörten nicht zufrieden zu geben, sondern es auch zu sehen, braucht schon einige Anstrengung. Es ist notwendig, das Gehörte in unserem Herzen zu bewegen und uns dann auf den Weg zu machen.

Erst dadurch ist Erkennen möglich. Das zu erkennen, was wir an Informationen anfangs von aussen bereits erhalten haben. «Worüber wir schon unterrichtet sind», wie Lukas in der Widmung sagt.

Erst nach dem Erkennen darf die Botschaft verbreitet werden. Wie viele Botschaften in Form von Lehren und Bücher, Religion und Philosophie werden aber bereits nach dem «Hören» in die Welt hinausposaunt: - alles «Second-Hand»-Qualität, ohne Kraft.

Solange wir nach Beth-Lehem (Haus des Brotes) unterwegs sind, können wir uns nur Vorstellungen erschaffen, wie es ist, wenn der Erretter unseres Wesens in uns geboren wird. Alle Berichte darüber können uns in Erstaunen versetzen. Können wir das Staunen überhaupt zulassen? Oder fangen wir alles Gehörte im Netz des Verstandes ab? Das Ergriffenwerden durch all das, was wir wahrnehmen, haben wir verlernt. Verstehen werden wir aber erst, wenn es uns geschieht. «Keine Bilder machen», wird gesagt. Ist es aber möglich, sich kein Bild über das zu machen, was wir noch nicht erfahren und «mit eigenen Augen» erkannt haben? Ist es möglich, ohne Vorstellungen und Erwartungen das Gesagte «in unserem Herzen zu bewegen?»

Wie weit sind wir fähig, aus der «Guten Nachricht», die Hoffnung geben soll, keine Konzepte im Kopf zusammenzubrauen?

Es geschieht in uns, was hier mit Bildern des Lebens als Geschichte beschrieben wird. Nur unser Herz, unser reines Herz, versteht. Nicht der Kopf. Nur von dort aus können die Bilder uns auf dem Weg tragen, ohne Kommentare und darüber gesetzte Interpretationen des Verstandes. Die Bilder werden im Herzen erkannt, direkt. Der Kopf, unser «Computer», der nur in ja-nein- Dimensionen funktioniert, wird dabei kurzgeschlossen. Wir brauchen einen gut funktionierenden Computer, aber nicht in diesem Zusammenhang. Herodes darf sich in diese Geschichte in uns nicht einmischen.“

Author; Agnes Hidveghy Kategorie: ARSSACRA

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Agnes Hidveghy

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