13
März
2018

Das Kreuz von San Damiano

Das Kreuz von San Damiano

 

Das Kreuz

«Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben» (Joh. 14, 6)

sagt Jesus über sich. Was hat diese Aussage mit dem Elend des Gekreuzigten, dem wir überall begegnen und dessen wir überdrüssig geworden sind, zu tun? Es ist immer schwierig, für unseren Verstand sogar unmöglich, Widersprüchliches zu einer Synthese zusammenzufügen. Die Wahrheit, mit anderen Worten die Wirklichkeit, kann nur in Widersprüchen beschrieben werden und das auch nur in einem Nacheinander. In uns müssen dann die widersprechenden Aussagen zusammenfinden. Zuerst müssen wir uns aber durch Erfahrungen führen lassen: Das ist der Weg. Erst dann wird durch unser individuelles Verstehen, das der erkannte Erfahrung ist, die Einheit wiederhergestellt. Leben ist nur aus dieser wiedergewonnenen Einheit möglich.

Das ist das Thema des Kreuzes.

Der Ort, wo das ich bin hingehört, ist der Kreuzungspunkt zwischen Vertikalem und Horizontalem. Dort, wo sich der zeitliche Prozess der Erfahrungen, in dem wir uns befinden, mit dem senkrechten Strahl der ewigen Wahrheit zusammentrifft. Das nennen wir Gegenwart. Befinden wir uns in dieser Gegenwart?

Es ist notwendig, diese Frage zu stellen, weil es eine Spiegelung dieser Gegenwart des Kreuzungspunktes gibt. Wir sind in diesem Spiegelbild gefangen, ihm ausgeliefert, durch ihn versklavt. Dieser Spiegelpunkt verhält sich zum wirklichen Kreuzungspunkt wie der Mond zur Sonne. In ihm ist das Leben geliehen, es ist ein schwacher Ersatz, ohne eigenes Licht, ohne eigene Mitte. Oft, wenn wir dem «Augenblick» folgen, machen wir nichts anderes, als uns den momentanen Stimmungen, Reaktionen und Neigungen auszuliefern. Wir bewegen uns damit auf dem horizontalen Balken, wo wir sagen können:

«Ich bin der Weg...»

Mit der Wahrheit sind wir aber nicht verbunden: Mit der Wahrheit, die der vertikale Balken repräsentiert. Durch sieben Schleier ist dieses «ich bin», von der Wahrheit getrennt. Solange sich die Wahrheit verzerrt in unseren individuellen Vorstellungen widerspiegelt, solange wir das Licht der Wahrheit nicht als unser Wesen erkennen, wäre es eine Lüge zu behaupten: «...Ich bin die Wahrheit...».

Der Kreuzungspunkt ist die höchste Spannung. Es gilt, diese Spannung bewusst zu ertragen. So, wie wir durch das Leben geformt sind, wäre das für uns alle eine Überforderung. So sinkt das SEIN, das «Ich bin», ins Unbewusste hinunter, tief unter den Kreuzungspunkt. Dennoch: Wir können nicht aus etwas Anderem Leben, wir leben in der Wahrheit. Die Wahrheit hat aber auf den verschiedenen Ebenen des vertikalen Balkens unterschiedlich erfahrene Wirklichkeiten.

Der Kreuzungspunkt der zwei Balken ist also der Ort der Kraft, der Punkt höchster Spannung. Dort, wo alles zu einer Einheit vereinigt wird, wo alle Widersprüche zusammenkommen, dort kann es nur spannungsgeladen sein. Gibt es Lebendigkeit ohne Spannung? Wir vermeiden Spannungen oder wir bauen sie möglichst rasch ab. Dann wundern wir uns, dass unser Leben fade und langweilig wird, wir vegetieren, anstatt zu leben. Wir ertragen immer weniger, wir vermeiden Situationen, die Spannungen erzeugen und wir versuchen sie mit allen Mitteln loszuwerden, weil wir ihnen nicht gewachsen sind. Wir sehnen uns nach Lebendigkeit, gleichzeitig bauen wir aber genau das ab, was sie ermöglichen würde. Erst am Kreuzungspunkt, dort wo das «Ich bin der Weg» mit der «...Wahrheit...» zusammentrifft, kann «...das Leben» entstehen. © Agnes Hidveghy: Der Isenheimer Altar. Unveröffentlicht

 

Das Bild

Im Kloster der Franziskaner in Fulda begegnet man dem Bild des Kreuzes von San Damiano überall: im Korridor, in den Zimmern, im Meditationsraum. Ich kannte diese wunderbare Darstellung schon lange und schätzte sie, aber erst hier, in der grösseren Kopie habe ich sie genauer angeschaut. Erst jetzt habe ich die Fülle von Informationen, welche dieses Meditationsbild enthält, erkannt.

Das etwa zwei Meter hohe Holzkreuz wurde von einem unbekannten italienischen Meister des Anfang 12. Jahrhunderts im byzantinischen Stil gemalt.
Es gibt 33 Figuren in der Kreuz-Ikone: zwei Christus-Figuren, eine Hand des Vaters, fünf Hauptfiguren, zwei kleinere Figuren, vierzehn Engel, zwei Unbekannte auf seinen Händen, ein kleiner Junge und sechs Unbekannte an der Unterseite des Kreuzes, welche z.T. zerstört sind. Ein Hahn und ein kleines Tier auf der rechten Seite der Unterschenkel ist schwer zu erkennen. Es gibt 33 Nagelköpfe entlang des Rahmens in den Muschelschalen und sieben Erhöhungen um den Heiligenschein.

 

Einführung

Bilder, welche aus dem Wissen (als erkannte Erfahrung) entstanden sind, verbinden sich mit dem inneren Wissen der Seele. Sie wecken das innere Wissen und richten die Seele auf dem, vom Schöpfer beabsichtigten Ziel aus. Gurdjieff nannte solche Kunstwerke objektive Kunst. Das Kreuz von San Dominiano gehört zu dieser Art von „heiligen Kunst“. Sufi-Geschichten sind auch nichts anderes, als erzählte Bilder. Das Unbewusste kommuniziert mit uns in Traumbilder und das ganze Leben spricht zu uns andauernd durch Bildersprache. Das ist die Sprache der Seele.

Wir haben verlernt, uns bewusst auf Bilder einzulassen. Dabei muss die Aufmerksamkeit immer wieder zum Bild zurückkehren, damit jede Einzelheit wahrgenommen wird. Nicht mit dem Kopf analysieren, sondern wahrnehmen und zulassen, dass das Verstehen des Herzens bis ins Bewusstsein aufsteigen kann.

Es ist auch wichtig, alles, was wir betrachten, in Zusammenhang zu bringen. Diese Sichtweise geht meistens verloren: wir reißen einzelne Aussagen aus dem Zusammenhang heraus und damit erhalten wir freie Hand für die Interpretation. Erst in dem Geschehen, in welchem etwas eingebettet ist, können wir das Gesagte, das Geschriebene, oder das Gemalte richtig einordnen. Diese Aussage verstehe ich in Zusammenhang mit innerseelischen Prozessen, unabhängig davon, ob etwas geschichtlich geschehen ist oder nicht.

 

Erste Betrachtung

Dieses frühe Kruzifix von San Damiano zeigt kein Leiden: Der Mensch ist „einfach“ am Kreuz festgemacht. Der nackte Körper bedeutet, dass es sich um eine göttliche Manifestation handelt – wie das in allen alten spirituellen Traditionen üblich war. Als innerseelische Bedeutung ist es das Wesen des Menschen, das, was er ist, was sich in dieser Welt der Materie im Körper inkarniert. Das, was wir alle in unserer Innersten, göttlichen Natur sind. Das Kreuz ist ein Ausdruck der Vierheit, der Zahl der Welt der Erscheinungen in der Materie, (wie wir Materie heute verstehen) Ausdruck für den Körper, an dem unser Wesen „festgemacht“ ist.

Die 33 Nägel und die lebendigen Gestalten, ist bedeutend, da laut Neuem Testament Jesus bei der Kreuzigung 33 Jahre alt war. Wenn wir die Wurzeln des Neuen Testaments in der jüdischen Tradition annehmen, dann sind die Zahlenwerte von Begriffen, Ereignissen und Namen von innerer Bedeutung.

In diesem Sinne möchte ich zur Verkündigung zurückgreifen, (sie ereignete sich in Galiläa, in der Stadt Nazareth) damit wir zur Zahl 33 den Schlüssel erhalten. Hier ein Auszug aus dem Kapitel „Die Verkündigung“ in meinem Buch „Stille Nacht, Heilige Nacht“:

„Gal, der Stamm des Namens Galil, wie Galiläa hebräisch heißt, hat mit Formwerdung zu tun, mit dem Erscheinen in der Form. In der hebräischen Schrift werden nur die Konsonanten ausgeschrieben, wobei jeder Buchstabe einen Zahlenwert hat. Derjenige von Gal ist 3 + 30 = 33. Das heißt, was in der Form erscheint, kann die Zahl 33 nicht „überleben“, deshalb stirbt der Körper Jesu mit 33 Jahren. Das, was aufersteht, ist jenseits davon und gehört damit zur 34. Das ist der Erlöser, der „Go El“ heißt, geschrieben mit dem Zahlenwert 34. Dies wiederum ist auch die Zahl für das Wort Kind, das aber aus anderen Buchstaben zusammengesetzt ist. … „Zar“ (der Stamm von Nazareth) bedeutet die „starre Form“ und ist auch der Stamm für die Begriffe Druck, Leid, Schmerz. Mit der Stadt Nazareth verdichtet sich die Formwerdung zu einer kristallisierten, unausweichlichen Verpflichtung. Innerhalb der lebendigen Form gibt es etwas, das sich nicht weiter formen lässt.“

In dieser Kreuzigungs-Darstellung ist das Herz am Kreuzungspunkt. Das Herz, als Mitte unserer Ganzheit. Nur das Herz ist fähig, die Spannung zwischen Oben und Unten, und zwischen all den Eindrücken, welche uns horizontal, in der Zeit, im Lebensprozess begegnen, auszuhalten und zu „erlösen“.

Mit den Jahrhunderten verändert sich die Darstellung des Gekreuzigten. Er rutscht herunter, bis der Kopf am Kreuzungspunkt steht: Das Bewusstsein mit Schwerpunkt Denken hat den Platz des Herzens eingenommen. Von dort aus war ein weiterer Rutsch nicht mehr zu verhindern: der Kopf des Gekreuzigten gelangt unter den Kreuzungspunkt – welcher jenseits unseres Bewusstseins geriet. Die Folge war fatal: Der Gekreuzigte blieb zwischen Himmel und Erde hängen und nur das Leiden am Kreuz blieb zurück. Ein Ausdruck davon, dass die Verherrlichung des Leidens in den Mittelpunkt geriet.

 

Die vier Elemente und die Quintessenz

Das Kreuz von San Damiano besteht aus fünf vertikale Feldern. In den 11.-12. Jahrhundert war die Lehre der vier Elemente allgemein bekannt. Es gehört ein fünftes Element auch dazu, welches nicht gegeben ist, sondern nur durch den Menschen erschaffen werden kann. Weil wir nicht verstehen, was mit dieser Lehre gemeint ist, können wir damit nichts anfangen. Wir können ein Bild aber nur dann lesen, wenn wir mit dem Menschenbild seines Schöpfers vertraut sind. Eine kurze Beschreibung der vier Elemente ist deshalb notwendig, um das Bild richtig „lesen“ zu können.

Die vier Elementen Lehre gehörte nicht nur in der Antike zum Grundverständniss des Menschen, sondern ist auch ein tragendes Element innerhalb christlichen Ideen. Wir kennen sie als die Embleme der vier Evangelisten: der Löwe, der Stier, der Adler (als transformierte Skorpion) und der Engel, der schon bei den Griechen für den Wassermann stand.

Die Vier-Elementen-Lehre besagt, dass der Mensch aus den vier Elementen besteht. Alles, was sich in Zeit und Raum in uns und mit uns abspielt, geschieht innerhalb der vier Elemente. Sie bestehen aus unterschiedlichen Dichten von Materie. Sie spiegeln sich auch im Element Erde, als Erde, Wasser, Luft und Feuer, aber wir dürfen die unterschiedlichen Stofflichkeiten, die sie bezeichnen – vom groben bis feinsten – nicht mit ihren Spiegelungen verwechseln. Wegen diese Verwechslung haben wir kein Verständnis für die Vier-Elementen-Lehre, welche in allen spirituellen Traditionen wie ein roter Faden zu finden ist.

Aus Element Erde besteht die Materie an sich, die Energie, die sich zu festen Formen verdichtet hat in der Gestalt der Atome. Aus ihr haben sich während der Evolution immer komplexere Formen gebildet und aus ihr haben wir einen physischen Körper erhalten, mit einer eindeutigen Struktur als Lebensprozess von der Vereinigung von zwei Zellen bis zum körperlichen Tod.

Aus dem feineren Stoff des Elements Wasser besteht unsere Gefühlswelt. Sie hat keine stabilen Strukturen, ist ständig in Bewegung, in Veränderung. Diesen Bereich erleben wir subjektiv. Wenn die verschiedenen Möglichkeiten darin angesprochen werden, manifestieren sie sich und sie zerfallen, um anderen Gefühlsinhalten Platz zu machen. Diese instabile feinstoffliche Substanz ist an den Körper gebunden und zerfällt in ihre Bestandteile, wenn der Körper stirbt. Aus der transformierten Energie der Gefühle kann die Substanz des zweiten Körpers gebildet werden, der Körper „Jesu unseres Wesens“, welcher den körperlichen Tod überlebt. Das ist mit „aus Wasser neu geboren werden“ umschrieben.

Element Luft ist aus einem noch feineren Stoff gebildet, es ist der objektive Bereich der mentalen Fähigkeiten. Wir brauchen meistens nur die niedrigste Manifestation davon: das Denken. Damit verbrauchen wir seine Substanz, es bleibt kaum etwas für seine höhere Funktion: für das Erkennen. Die höchste Möglichkeit dieser feinstofflichen Welt ist Bewusst-Sein: Die Wahrnehmung der eigenen Existenz. Aus diesem Element kann sich der dritte Körper innerhalb des Zweiten bilden.

Element Feuer durchdringt alles als Wille. Jeder Teil in uns hat seinen eigenen „Willen“ und möchte sich verwirklichen. Deshalb sind wir zerrissen zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen und Wünschen. Es heißt, wenn die drei Körper aufgebaut sind, erhalten wir den vierten, den Feuer-Körper. Damit ist die Einheit erreicht. Erst dann ist der Mensch frei und besitzt logischerweise einen freien Willen.

 

Die fünf Felder

Unterhalb des Gekreuzigten sind sechs Gestalten in einem, nach oben offenen Raum. In diesem dreidimensionalen Raum spielt sich unser diesseitiges Leben ab. Wenn wir offen sind, was jenseits dieses Raumes ist, dann wird das Bild auch zu uns „sprechen“, wie zu Franziskus von Assisi.

Auf dem Bild des Kreuzes von San Damiano ist das Element Erde das unterste Feld, welche die Füße und Unterschenkel des Gekreuzigten umfängt. Der Mensch ist durch die Füße – welche den Boden berühren – an der Materie, an den physischen Körper „angenagelt“. Die zwei kleinen Tiere (welche kaum identifizierbar sind) deuten auf unsere „niedrige Natur“ hin, das unser evolutionäres Erbe ist.

Von den Knien bis zum Solarplexus reicht das Feld des Elements Wasser. Dieses Feld bildet ein Quadrat – ein anderer Ausdruck der Vierheit: die Welt der Emotionen gehört mit ihrer Feinstofflichkeit immer noch in den Bereich dieser Welt der Erscheinungen. Hier gibt es schon „mehr Raum“, und es ist mit Leben gefüllt: die Gestalten in diesem Feld sagen es. Die Köpfe der langgezogenen Figuren reichen in den Querbalken hinein. Die Emotionen müssen sich „strecken“, damit sie sich mit dem objektiven Erkennen – dem Zeugen – verbinden können.

Der große Querbalken ist der Ort des Elements Luft: hier ist der Mensch durch seine Konzepte festgemacht. Durch das sogenannte logische Denken bewegen wir uns im Horizontalen und unsere Möglichkeiten werden dadurch auf diese Ebene beschränkt. Die zwei Engel unter beiden Arme deuten auf die Dualität des Denkens hin. Sie „diskutieren“ – sie bewegen sich in der Dualität des Denkens. Damit wird gezeigt, dass das Denken an seinem Platz eine, vom Schöpfer gegebene Energie ist. Die einzelnen Gestalten von Heiligen an der Verlängerung der Hände zeigen, dass Erkennen in der Einheit erst menschenwürdig und dadurch geheiligt ist. Erkennen kommt aus dem Herzen, die Arme sind doch die Verlängerungen des Herzens – diese Gestalten haben nicht nur Köpfe, sondern auch Körper! Blutspuren am Unterarm entlang leiten die Energie des Erkennens zu den Köpfen der Gestalten im Feld des Element Wassers, welche keine Emotionen zeigen. Die transformierende Kraft wandelt die Emotionen zur Erkenntnisfähigkeit um.

Der Kopf des Gekreuzigten reicht in das Feld des Elements Feuer hinein. In der Glorie um seinen Haupt sind sieben Erhöhungen eingearbeitet: Der ganze Weg – als die sieben Dimensionen (die Oktave!) der Schöpfung. Ibn Arabi sagt, dass nur das Existiert, was auf allen Ebenen (Dimensionen) der Schöpfung existiert. Die Haare, welche auf beide Seiten in je drei Locken enden, bringen die Energie des Feuers – das vereinende Feuer der Liebe – in den Bereich des objektiven Verstehens – in den Querbalken - hinein. Dadurch ist es möglich, dass die Emotionen erkannt und angenommen werden – wie die Hände es in der Körpersprache ausdrücken. Damit sind sie geheiligt – die Glorie auf den Häuptern der Heiligen zeugt davon.

Der oberste Balken ist das „fünfte Element“ – die „Quintessenz“, klar angedeutet mit den zehn Engeln, fünf an beiden Seiten. Ikonographisch ist hier der Ort, wo der Heilige Geist in der Form der Taube hingehört. Anstatt der Taube ist hier ein Mensch, der in einem roten Kreis nach Oben schreitet. Er wird nicht hinaufgehoben oder er schwebt auch nicht nach oben, nein, er macht einen Schritt hinauf. Er ist in Weiß gekleidet, was soviel bedeutet, dass das Göttliche mit dem Menschlichen „angezogen“ (Kleid) in die Einheit der Quinta Essentia eingeht. Das Kleid ist weiß, weil nur das Reine – das Gereinigte – mitgenommen werden kann. Die Essenz unserer Erfahrungen aus den vier Elementen können wir mitnehmen, die Erinnerungsmuster aber nicht, die müssen wir abstreifen. Hier wieder ein Hinweis aus dem Hebräischen: Jungfräulichkeit (der Seele) bedeutet keinen Mann zu kennen. Mann und Erinnerung haben aber den gleichen Wortstamm. Hier ist der Mensch, der zur „Dritten Kraft“ (Gurdjieff), zu Verbindung zwischen Vielheit und Einheit geworden ist. Er ist in sich ganz geworden – ein unteilbares Individuum. (= das Unteilbare) Jeanne de Salzmann formuliert in unserer heutigen Sprache treffend was das bedeutet:

„Die Gesetze, die das Universum regieren, sind hier und wirken in uns. Ziel ist, dass all die Kräfte, die in uns sind, sich auf ein Zentrum ausrichten und wieder ein Ganzes formen. Es ist dieses nach oben gerichtete Bestreben, das wir lernen müssen. Doch alles, was unten ist, hält uns zurück. All das muss gereinigt werden. In diesem Zusammenkommen erhält die Energie eine andere Qualität. Das Ziel dieser Wiedervereinigung ist die Macht zu sein.“

Jenseits des Bewusstseins – über dem Kopf des Gekreuzigten – berührt der Seiende mit der Glorie den Kreis des Schöpfers. Die Hand des „Vaters“ ist das Wirken der Einheit in der manifestierten Welt. Der „Sohn“ – das Kind, als der Kreis, in welchem er aufsteigt – ist durch die verbindende Kraft des Heiligen Geistes – durch den Kreis der Glorie – und der Vater – als die Hand des oberen, nur zum Teil sichtbar gewordenen Kreises, sind miteinander verbunden – EINS geworden.

Eigentlich erst von hier aus, von oben nach unten ist es möglich, das Bild zu lesen…

Damit ist das, was auf dem Kreuz von San Damiano in Bildern geschrieben ist, noch weit nicht vollständig ausgeschöpft, „gelesen“. Hier ist das beschrieben, was ich davon verstanden habe. Es wird in mir weiter seine Wirkung entfalten. Das Bild kann von jedem von uns noch direkte Botschaften enthalten. Es kann zu jedem direkt „sprechen“, so, wie es zu Franziskus gesprochen hat.

Author; Agnes Hidveghy Kategorie: Christentum

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Agnes Hidveghy

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