04
Dezember
2020

Maria am Spinnrocken

Maria am Spinnrocken

Maria sitzt in dem geschützten heiligen weiblichen Raum, wohin das Männliche hereinschauen aber nicht eintreten kann. Dieser Raum gibt es in uns allen, unabhängig davon, ob wir in einem männlichen oder weiblichen Körper leben. Er ist tiefer in uns als die Gefühle und Gedanken. Die Wogen der Emotionen und die wirbelnden assoziativen Gedanken können hier nicht hinein-dringen. Einzig mit der Stille öffnet sich dieser geheime Ort der Seele. Er ist erfüllt von der Fähigkeit zu empfangen, hier ist der Sitz von bedingungsloser Bereitschaft Ja zu sagen, was auch äußerlich oder innerlich gegeben ist und der Sitz der Achtsamkeit. Hier ist es möglich, den knotenlosen Faden des eigenen Lebens aus dem erhaltenen Rohstoff zu spinnen.

Durch den Saum des Tuches an Marias Schultern ist vom Hals bis zum Becken ein noch tiefer liegender, verborgener, dunkler Raum markiert. Das goldige Inbild des Kindes leuchtet in diesem dunklen Raum. In dem Raum, wo nicht einmal Marias Blick eindringen kann.

Maria, die jungfräuliche Seele in uns allen, spinnt den feinen Faden. Dazu erhält sie das Material von Oben, aus dem Ungeformten, aus dem nicht Sichtbaren. Der Faden entsteht erst durch das Empfangen auf der Höhe von Halschakra: durch ihr bedingungsloses Ja. Der Faden läuft durch das Inbild des Kindes und gleitet durch die andere Hand zu der Spindel, nahe am Boden. Es ist eine Spannung nötig, damit der Faden gedreht werden kann – aber die darf nicht zu groß sein. Zwischen beiden Händen wird der Lebensfaden aus dem Gegebenem gedreht und durch das Kind des Lichtes geheiligt.

Der Faden zwischen beiden Hände verläuft durch den Solar Plexus: Er wird gleichzeitig mit dem „vermischt“, was in uns entsteht: Reaktionen, Impulse, „menschliche“ Zustände. Die würden den Faden verheddern, wenn sie nicht bewusst mitgeflochten – eingedreht in den Faden - wären. Ununterbrochene Achtsamkeit, bedingungslose Hingabe ist nötig, damit sich kein Knoten bildet und der Faden nicht reißt.

Ein ununterbrochenes JA. Zu allem, was auf dem Schirm des Bewusstseins erscheint. Zum Schönen und zum Licht ist es leicht Ja zu sagen. Die Erfahrung menschlicher Unvollkommenheit zu bejahen ist schwieriger. Es ist notwendig Ja zu sagen zu ALLEM, was IST. Ob es mir passt oder nicht: zu meinen Begrenzungen, zu meiner Angst, zu Verwirrung und Rechthaberei, zu Ehrgeiz und Trägheit, zu Schmerz und zu Wohlbefinden – auch zu meiner Unfähigkeit etwas bejahen zu können.

MariaamSpinnrocken 1Der männliche Kopf ist auf der gleichen Höhe, wie die empfangende Hand Marias. Mit dem „Kopf“ ist das Kind nicht sichtbar, die Kleider verdecken es. Der „Kopf“ muss ebenfalls rein sein. Ohne Emotionen der Erwartung, ohne Neugier, ohne Wertung und Vergleich aus der Vergangenheit und ohne Scheu vom Unbekanntem: Allein das unmittelbare Erkennen des Heiligen. Hier schaut jemand mit einem klaren, intelligenten Gesichtsausdruck herein, der draußen in der Welt verantwortungsbewusst, aktiv gestaltend wirkt. Die Züge verraten eine Fähigkeit der Verwirklichung, Sensibilität, Wachsamkeit. Ist es Josef? Sein Zustand entspricht auch der Bedingungslosigkeit; das ermöglicht Erkennen, Erkennen, was in diesem heiligen weiblichen Raum geschieht. Selbstportrait des Künstlers, der diesen Raum in sich gekannt hat?

In uns allen ist dieser Raum offen, zugänglich. Und in uns allen gibt es ein „Josef unseres Wesens“: Das, was in uns gewachsen ist, was draußen im Leben zu bestehen und sinnvoll tätig zu sein ermöglicht.

Was jenseits dieses weiblichen Raumes ist, bleibt hinter einem Tuch noch verborgen. Dieser Raum wird von innen her geöffnet – wenn die Zeit dafür reif ist.

Bis dann üben wir aus dem Stoff des erhaltenen Materials, welches ununterbrochen zur Verfügung steht, den Faden unseres Lebens mit Gleichmut in Gleichmäßigkeit zu spinnen. Den Faden, aus dem Stoff gewoben werden kann. Stoff für Kleider – für zukünftige Generationen. …Und im Verborgenen, vor jedem Blick geschützt wächst da das göttliche Kind, das „Licht der Welt“ heran, damit Gott Mensch werden kann. In jedem von uns.

Damit möchte ich Allen eine verinnerlichte Adventszeit und gesegnete Weihnachten wünschen. Ein bewusstes Teilnehmen an der kosmisch bedeutsamen Wintersonnenwende dieses Jahres, welche für die nächsten Jahrhunderte bestimmende Auswirkungen hat.

Mit der Bitte an den Allmächtigen, dass wir das Neue reinen Herzens empfangen können,

Agnes Hidveghy

Author; Agnes Hidveghy Kategorie: Christentum

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