08
Juli
2013

Die Bildung der Seele und das Enneagramm

Einleitung - Reijo Oksanen

Die Bildung der Seele und das Enneagramm

Als wir einen Beitrag zu einer Konferenz planten, stiessen wir auf das Thema und die Bedeutung des Konzeptes "Seele". Die Frage, die plötzlich auftauchte, war einfach: "Ist die Seele ein christliches Konzept?"

Meine unmittelbare Antwort auf diese Frage war: „Ja, natürlich ist es ein christliches Konzept! Ich kenne dieses Wort schon seit meiner Jugend. Der Kontext, in dem das Wort präsentiert wurde, war die christliche Kirche. Der Inhalt der Nachricht war, dass ich als Christ eine Seele habe, und dass wenn ich sterbe, diese Seele in den Himmel gehen wird.“

Seither versuche ich zu verstehen, was das Wort „Seele“ bedeutet. Von Gurdjieff lernte ich, dass wir keine Seele haben, sondern nur eine, die im Entstehen ist, und dass dieser Prozess dringend Vollendung braucht. Die christlich-orthodoxen Väter, Heiligen und Lehrer sagen, dass die Seele unrein sei und geläutert werden müsse. Die Läuterung und Entstehung der Seele scheinen mir sehr ähnliche Aktivitäten zu sein; beide Konzepte beinhalten Gedanken und Emotionen, die den Inhalt der Seele ausmachen sollen.

Also fragte ich Agi laut: „Ist die Seele ein christliches Konzept?“ und bekam ihre Antwort: „Natürlich ist es das nicht!“

Reijo: „Liegt der Ursprung der „Seele“ dann im antiken Griechenland oder gar in Ägypten?“

Agi: „Nein!“

Die Erfahrung
Was ist die SEELE?

Mit dieser Frage in meinem Herzen begann vor einigen Jahren meine Reise für einen zehntägigen Retreat in Griechenland. Ich wäre fähig gewesen, ein ganzes Buch über die Seele zu schreiben, aber etwas fehlte mir. Ich studierte verschiedene Konzepte darüber, ich hatte einige Erfahrungen mit ihr, aber mir fehlte eine klare, direkte Einsicht, was die Seele ist. Ich suchte nach einem Zugang, in dessen Licht ich die verschiedenen Arten von Seele verstehen konnte: Die individuelle Seele, die Seele einer Gruppe, einer Religion oder einer Nation, die Seele eines Planeten oder die universale Seele der Schöpfung. Die Tage gingen vorbei an dem wundervollen Ort am Meer, aber nichts deutete darauf hin, dass ich näher an die Antwort kommen würde. Der letzte Tag, der neunte, kam und ich wusste, dass ich am nächsten Morgen in der Früh heim zu fliegen hatte – ohne eine neue Einsicht.

An diesem Morgen ging ich eher spät zum Bäcker, um Brot zu kaufen; und der staubige Rückweg zum Haus, in dem ich wohnte, war sehr heiss. Ich freute mich, in den Schatten des Hauses inmitten der Olivenbäume zu gelangen. Und dann geschah es…

Ich sah das Enneagramm mit einer speziellen Ordnung der Planeten und den zwei Lichtern. Es gab einen Blitz aus dem Nichts, welcher mich tief berührte. Ich empfand es als wundervoll, diese Art von Einsicht zu bekommen, auch wenn sie nicht die Antwort auf meine Frage schien. Ich benötigte ungefähr drei Wochen, um zu verstehen, dass es genau die Antwort war, die ich suchte. In den nächsten Monaten öffnete sich das Kosmogramm mehr und mehr.

enneagram with planets 300



Was steht hinter dem Blitz dieser Eingebung?

Der astrologische Hintergrund

Um die tiefgründige Bedeutung dieser Verbindung zu verstehen, müssen wir einige astrologische Begriffe verstehen.

Da die Astrologie heutzutage meist für persönliche Interessen verwendet wird - genau wie das Enneagramm der Persönlichkeit - ist die Bedeutung der beiden als universelle Konzepte kaum studiert und verstanden worden. Das System der Astrologie bildet ein Modell der Wirklichkeit: Astrologie ist ein kosmologisches System. Das Studium der Astrologie auf diesem Niveau kann nützlich sein, um mehr über die Gesetze der Schöpfung zu verstehen. Wir könnten sagen, dass es sich dabei um die Energiestruktur jedes kosmischen Systems handelt. Mit dem wachsenden Verständnis des neuen Zeitalters des Wassermannes können wir auch sagen: Die Astrologie beinhaltet die Struktur des universellen Informations-Systems in sich, welches verschiedene Welten von kosmischen Systemen jeglichen Niveaus hervorbringt. Plato nannte es die Welt der Ideen. Wenn diese Behauptung sich als wahr erweist, haben alle Elemente des astrologischen Systems ihre Gültigkeit in verschiedenen Grössenordnungen der Manifestation, welche sich auf verschiedene Dimensionen des Bewussteins beziehen, wie es Gurdjieff betont hat. Es gibt keine direkten (linearen) Verbindungen zwischen verschiedenen „Qualitäten“ des Bewussteins. Aber es gibt das Gesetz der Analogie, welches uns helfen kann. Dank diesem Gesetz kann uns ein bekanntes System Orientierung in einem unbekannten System geben. Daher ist es von fundamentaler Wichtigkeit, dass die kosmologische Astrologie am konkreten Phänomen des Sonnensystems orientiert ist; wäre dies nicht der Fall, gäbe es keine Basis für jene Analogie.

Nehmen wir ein Beispiel. Die Bahn des Planeten Erde liegt zwischen dem Lauf der Venus und dem des Mars’. Wenn wir verstehen, was Venus und was Mars bedeutet, und wofür der Planet Erde steht, können wir klar erkennen, wie diese drei Komponenten in uns miteinander in Verbindung stehen.

Venus ist die vereinigende Energie der Liebe. Auf jedem Niveau gibt es Liebe. Sie erscheint als Gravitation in der Materie: Masse zieht Masse an. Sie ist Sex, sie ist emotionale Liebe, und sie ist die Liebe des Schöpfers zu seiner Schöpfung. Da die Venus uns in Richtung Sonne am nächsten steht, verbindet diese Energie den Planeten Erde mit der Sonne. Es ist die zentripetale Kraft, welche den Planeten zu seinem Schöpfer, der Sonne, zieht, um beide zu vereinen. Ein weiter zu beachtender Faktor ist, dass die Venus sich im Vergleich zu allen anderen Planeten in der umgekehrten Richtung um ihre Achse dreht.

Mars ist die Kraft des Willens, welcher nach der Realisierung des Individuums strebt. Es ist Selbstwille, welcher es jedem erschaffenen Kosmos ermöglicht, nach seinen eigenen Gesetzen zu leben. Es ist der Wille zu leben und Ja zum Leben zu sagen, für die besten Bedingungen zur Realisierung zu kämpfen. Der Wille der ersten zentralen Erscheinung des Bewusstseins eines jeden Kosmos ist es, seinen Inhalt zu verwirklichen. Es ist die zentrifugale Kraft, welche es allen Dingen ermöglicht, geradeaus auf „ihrem Weg“ zu gehen. Gäbe es nur die Zentrifugalkraft, würde die Erde ihre Bahn verlassen und verloren gehen im ungeheuer grossen Raum des Universums.

Der Planet Erde wird zwischen diesen beiden Kräften gehalten. Die kosmische Ebene der „Erde“ entspricht der Ebene der Persönlichkeit. Das Wesen des Menschen ist in die Materie der Erde „gekleidet“, seine Gestalt wird aus der Substanz des Planeten gebildet, und mit den Bestandteilen dieser Einflüsse wird etwas in ihm aufgebaut, was sein Wesen „nicht ist“: Die Persönlichkeit. Die neu gebildete Substanz der Persönlichkeit kann zur Nahrung für das sich entwickelnde Wesen werden.

Sind wir in unserem Leben nicht in der Spannung zwischen der „Selbstverwirklichung“, dem Einfluss des Mars’ und dem Ruf nach einem „Zentrum“ in uns,indem wir uns nach dem „verlorenen Paradies“, dem Einfluss der Venus in uns, sehnen?

Nehmen wir ein anderes Beispiel. Haben Sie sich je gewundert, dass die riesige Sonne und der, im Vergleich dazu sehr kleine Mond in solcher Weise im Raum platziert sind, dass sie aus unserer Sicht die gleiche Grösse haben? Verstehen wir, für was sie beide in uns stehen? Ist es ein Wunder, dass wir in uns die beiden Instanzen konsequent vermischen, so lange wir uns an der Quantität und nicht der Qualität orientieren?

In der heutigen astrologischen Praxis fehlt insgesamt die vertikale Dimension. Es ist bezeichnend für unsere Zeit: Wir haben keinen Sinn für hierarchische Strukturen; weder in der konkreten materiellen Welt noch in uns selbst. Wir stellen alles in eine horizontale Ordnung. Die Orientierung gemäss einem Strahl der Schöpfung, der von einem schöpferischen Zentrum ausgeht, ist sehr klar in der Astrologie, wenn wir mit den Strukturen unseres Sonnensystems in Kontakt bleiben. Die Kosmologie von Gurdjieff basiert auf den konkreten astronomischen Tatsachen, und die Astrologie macht das gleiche – denn es gibt nur eine Wirklichkeit.

Astrologie Gurdjieff
Kein Thema in der Astrologie Das Absolute
Kein Thema in der Astrologie Alle Welten
Unsere Galaxie – die Fixsterne Alle Sonnen
Unsere Sonne - der Tierkreis (12 Zeichen) Sonne (12 Gesetze)
Die Planeten – das Energiefeld der Sonne Alle Planeten
Aszendent – die Erde Erde
Mond Mond

 

Unsere Galaxie – die Konstellationen der Fixsterne – alle Sonnen

Die astrologische Tradition sagt, „die Idee des Menschen liegt in sich ruhend im Tierkreis“. Dies ist die Einheit der Zwölf, der zwölf Tierkreiszeichen, die „12 Gesetze der Sonne“. Hinter den zwölf Zeichen des Tierkreises wirken die Fixsternkonstellationen, Energiefelder in der Galaxie, welche unsere Sonne erschaffen haben. Ihr Zentrum ist das Zentrum der Galaxie, und wie die Wissenschaft uns lehrt, ist das ein „Schwarzes Loch“. Die Sufis nennen dies „die Sonne hinter der Sonne“. Es ist der „Ursprung des Lichtes“. Hier liegt der Ursprung des Menschen, welcher durch die Erschaffung des Sonnensystems durch unsere Sonne konkretisiert wurde.

Unsere Sonne – der Tierkreis (12 Zeichen) – (Sonne 12 Gesetze)

Die Sonne und die Planeten repräsentieren unser Wesen, mit der Sonne als dem „Zentrum unseres Wesens“.

Die Planeten – das Energiefeld der Sonne – (Alle Planeten)

An den Knotenpunkten der Energie des Energiefeldes, welches durch die Rotation der Sonne entstanden ist, liegen die Bahnen der Planeten. Gurdjieff nannte dieses Energiefeld der Sonne in seiner Kosmologie „Alle Planeten“.

Aszendent – die Erde – (Erde)

Gurdjieff meinte, dass die Astrologie nur von unserem Wesen und nicht von der Persönlichkeit handelt. Ich weiss nicht worauf diese Aussage basiert. Mit dem Aszendenten und dem System der astrologischen Häuser wird die Energie des Sonnensystems an einen Punkt der Erde gebunden (Geburtsort); welcher die Persönlichkeit bestimmt. Die Persönlichkeit wird durch die Einflüsse der Umgebung der Erde aufgebaut, der Bereitschaft entsprechend, welche im Wesen innewohnend ist. Der Aszendent und die zwölf Häuser haben mit der Persönlichkeit zu tun, im Widerspruch zu dem, was Ouspensky in „Den Fragmenten“ geschrieben hat.

Mond – (Mond)

Der Mond wird meistens missverstanden. Er wird entweder in die Mitte unserer Existenz gelegt – wie viele psychologische Systeme es tun – oder er wird grundsätzlich als das „Böse“ hingestellt. So lange wir durch ihn gefangen sind, unter seinen Gesetzen stehen, sind wir nicht fähig zu sehen, was er wirklich ist. Er ist definitiv die niedrigste Welt, aber dies bedeutet nicht, dass sie weniger wichtig ist als die höheren. Er hat seine starke Funktion als weiblicher Pol gegenüber dem männlichen Pol der Sonne. Der Mond in uns ist das, was wir Seele nennen. Wenn wir identifiziert werden – so ist das der Mond! Generell haben wir keine Vorstellung, woraus die Seele besteht. Was ist ihr Wesen und wie funktioniert sie? Wir realisieren nicht, dass die gegebene „Seele“ an unser niedriges – körperlich animalisches – Wesen gebunden ist, und damit auch an dessen Existenz und Tod. Sie ist verbunden mit der Persönlichkeit (Erde),analog zum Mond, der starr zum Planeten Erde hin orientiert ist. Sie ist nicht direkt mit dem Zentrum unseres Seins, mit der Sonne, verbunden, genauso, wie der Mond seine Bahn nicht um die Sonne zieht.

In der astrologischen Tradition gibt es eine wichtige Aussage über die Beziehung zwischen dem Mond – der Persönlichkeit (Aszendent) – und der Sonne. Sie lautet:

„Solange wir unbewusst leben, füttert der Aszendent den Mond. Wenn wir bewusst sind, nährt der Aszendent die Sonne.“

Es könnte nicht klarer formuliert werden.

Aber ich verstand diese Aussage nach 40 Jahren astrologischer Lehrtätigkeit nur mit der Hilfe des Enneagramms in ihrer ganzen Tiefe.

Die Erhöhung der Planeten

Der Tierkreis ist ein unbewegliches System der Idee des Menschen, jenseits der Zeit. Erst die zwei Lichter (Sonne/Mond) und die Planeten übertragen die 12 Aspekte davon in zeitliche, dynamische Prozesse. Die Lichter und die Planeten werden entsprechenden Tierkreiszeichen zugeordnet, die jeweils ihr „Domizil“ sind, dabei entsteht eine klare, logische Struktur. Die astrologische Tradition weist den beiden Lichtern – Sonne und Mond – und den fünf klassischen Planeten auch so genannte Plätze der Erhöhung zu. Diese Verbindung zwischen den Planeten und den Zeichen des Tierkreises hat scheinbar keine logische Ordnung. Die individuelle Horoskop-Astrologie versucht, einen Sinn daraus zu machen, kann aber keine vernünftige Ordnung im System finden.

Gemäss der Sicht der kosmologischen Astrologie erhält das System der Erhöhungen eine tiefe Bedeutung. Es ist der Schlüssel für das Verständnis, wie ein kosmisches System funktioniert – oder sogar noch wichtiger – für das Verständnis, wie unsere innere Welt aufgebaut ist, und wie wir etwas in uns aufbauen können, das den Tod unseres Körpers überlebt. In anderen Worten: Wie eine Seele erschaffen werden kann, die von Leben und Tod unabhängig ist. Die Ordnung der Erhöhungen kann nur mit der Sonne beginnen, dem Schöpfer seines eigenen Kosmos. (Links der Planet und rechts das Zeichen der Erhöhung.)

Zeichen der Erhöhung



Die Reihen sind wie folgt aufgebaut:

Sonne

Auf jeder Ebene ist die „Sonne“ der Beginn eines Kosmos’. Mit anderen Worten: Jedes kosmische System hat eine eigene „Sonne“ auf einer eigenen Ebene, in welcher die kosmische Information – Idee – als Bewusstsein erscheint. Dies ist das Zentrum ihres Seins, der Schöpfer und Koordinator ihrer Existenz, und dadurch wird der jeweilige Kosmos mit einem Kosmos höherer Ordnung verbunden. Durch den Kern wird ein Kosmos zum Teil einer höheren Ordnung, so wie unser Sonnensystem Teil einer Galaxie, der Milchstrasse, ist. Daher beginnt die Stelle der Erhöhung mit der Sonne. Die Sonne im Zeichen Widder, dem Anfang des Tierkreises, ist die Erfahrung von ICH BIN. Dies ist der einzig mögliche Anfang der „Schöpfung einer neuen Welt“.

Mars

Die Sonne im Widder wird durch den Mars regiert. Mars ist der Wille des Kerns, seinen Kosmos rundherum aufzubauen; der Wille zur Verwirklichung der Idee, welche das erscheinende Bewusstsein in sich trägt. Mars ist der nach aussen gewendete Teil des Bewusstseins. Er verkörpert die Fähigkeit, den Inhalt des Bewusstseins zu realisieren. Im Steinbock erhöht, bringt er das Feuer des Widders auf die Erde, in die Materie. „Schöpfung geschieht zwischen den Elementen Feuer und Erde“, wie Plato es im Timaeus sagt. Eine Idee, die von jenseits der Sonne (Element Feuer) kommt und ins Bewusstsein tritt, will sich ins Konkrete verwirklichen.

Saturn

Mars ist im Steinbock erhöht. Der Herrscher dieses Zeichens ist der Saturn, welcher für jede Art von Struktur und damit für Begrenzung steht. Jeder Kosmos hat seine Grenzen in Raum und Zeit. Seine eigenen Gesetze definieren bereits Begrenzungen; den Raum, den er einnehmen kann, und die Zeit, die ihm zur Verfügung steht, vom Anfang seiner Existenz an. Saturn repräsentiert Gesetz im allgemeinen. In der Waage erhält dieses Gesetz ein Fahrzeug der Entwicklung und dient dem Weg zur Freiheit. „Freiheit in der geistigen Welt offenbart sich als Gesetz in der materiellen Welt“.

Venus

Saturn ist in der Waage erhöht, wo die Venus herrscht. Das ganze System eines Kosmos’ benötigt Liebe, um die Teile zusammen zu binden und damit seine eigene Idee verwirklichen zu können. Die Waage-Venus ist die aktive Seite von Liebe, welche auf jedes Sein wirkt, um es von der Separation zur Einheit zurückzubringen; es ist die vereinigende Kraft. Liebe bringt uns am Ende des Weges zurück zur Einheit. Aus diesem Grund ist die Venus in den Fischen erhöht, in dem letzten Zeichen des Tierkreises. In der Einheit gibt es nur Eins; die Zweiheit verschwindet. „Gott würde für uns sterben, um eins mit uns zu werden. Aber Er kann nicht sterben. Daher ist es notwendig, dass wir sterben.“ Der Prozess des Sterbens bedeutet jederzeit ein Auflösen einer Art von Dualität.

Jupiter

Venus ist in den Fischen erhöht, und Jupiter ist der Herrscher über dieses Zeichen. Durch die vereinende Kraft der Liebe kommt Schönheit und Harmonie ins Dasein. Dies ermöglicht die „harmonische Entwicklung“, die Freude des Seins, Fülle und Erfüllung. Jupiter ist im Krebs erhöht, in der geschlossenen Welt des „menschlichen Daseins“. Dies bedeutet, Erfüllung im normalen Leben zu finden, und nicht zu versuchen, wie ein Ballon zu entfliehen. Es gibt keine Erfüllung ausserhalb des, uns gegebenen, Lebens.

Der Mond

Jupiter ist im Zeichen Krebs erhöht, wo der Mond herrscht. Der Mond ist das Prinzip der „Vielheit“, der Bestandteile, aus denen ein System aufgebaut ist. Wenn der ganze Kosmos harmonisch aufgebaut ist, können die Bestandteile – gemäss den Prinzipien des Mondes – automatisch in ihm funktionieren. Die Teile werden vom ganzen System zusammengehalten. Im Stier, dem weiblichsten Zeichen, ist diese Idee ganz realisiert, bis hinunter in die Form der Materie. Es ist das kristallisierte Muster, welches in den Knochen und in den Zellen des Körpers verankert ist. Es arbeitet von dort aus automatisch.

Der Mond ist im Stier erhöht, in dem Zeichen der passiven Seite der Venus: Die Liebe der Erde. Diese Liebe macht es möglich, dass ein WEG in der Zeit entstehen kann. Die Liebe der Erde bindet uns an die Materie, an die „Schwere“, an den Körper, an den „unteren“ Pol der Existenz. Und die Venus führt zurück zu den Fischen und damit wiederum zu Jupiter. Es entsteht dadurch ein geschlossener Lebenskreis, in welchem ein Kosmos in seiner eigenen Welt eingeschlossen ist. Eine kosmische Welt ist erschaffen und wird von ihrer Sonne im Gleichgewicht gehalten. Die Erschaffung der Sonne, „im Namen des heiligen Feuers des Widders“, der männlichsten Energie des Kosmos, endet mit dem Mond, im „Namen der heiligen Erde des Stiers“, der weiblichsten Energie.

Die Frage lautet: Wie kann ein menschliches Wesen als „kosmische Welt“ aus diesem abgeschlossenen Gefängnis entfliehen? Gibt es eine Möglichkeit, zu den Kräften zurückzufinden, welche mit der Hilfe des Saturns den Menschen in sein „normales“ Leben eingesperrt haben, zu den Kräften, die ihn zu einem kosmischen Schlaf „verdammt“ haben? Das Überwinden der Schranke wäre die einzige Möglichkeit, zu den kreativen Quellen zu gelangen, welche benötigt werden, um im Menschen eine „neue Welt“ zu erschaffen.

Im System der Erhöhungen fehlt der Planet Merkur. Gemäss der Tradition der Astrologie hat er kein Zeichen der Erhöhung – was erst in Zusammenhang mit dieser Tabelle Sinn macht. Andererseits erwähnt die klassische Astrologie einen „Urmerkur“ jenseits des Merkurs. Da Merkur die Energie der Mitteilung verkörpert – heutzutage würden wir über Information sprechen –, kann er von allen anderen Instanzen für alle möglichen Zwecke benutzt werden. Durch die Ungebundenheit kann er sich frei bewegen und ist nicht in ein System eingebunden; er wirkt wie ein Katalysator, welcher alle notwendigen Prozesse ermöglicht. Diese Instanz im inneren Prozess wäre der Zeuge – oder Beobachter – der die „Erlösung“ vorbereitet. Mit Merkur, dem beflügelten Boten, welcher fähig ist, sich frei über die Grenzen hinweg zu bewegen, kann die verschlossene Tür des Gefängnisses geöffnet werden. In der Sufi-Tradition ist es der Derwisch, der diese Rolle hat: Derwisch bedeutet Schwelle (im Buddhismus ist es einfach Achtsamkeit). An der Schwelle bildet dann die Waage Venus die Brücke. Die Venus, sowohl als eine der Schöpfung zu Grunde liegende Idee, als auch eine im zeitlichen Prozess wirkende Kraft, gibt uns die Möglichkeit, Liebe in den unterschiedlichsten Ebenen zu erfahren. Ihre Formen kommen und gehen, wir sehnen uns nach allen ihren möglichen Manifestationen. Hinter diesen Manifestationen ist DIE IDEE DER LIEBE in einer der zwölf Strahlen der Sonne enthalten: In der Waage. „Suche nicht nach Liebe, sondern nach der Quelle der Liebe“, wie Reshad Field es so oft betont hat. Suche nach der Idee der Liebe, jenseits der Zeit, jenseits der Manifestation. Verstehe die Liebe und sei nicht zufrieden allein mit ihrer offenbarten Form.

Das Studium der Orte des Falles von den Lichtern und den Planeten – sie liegen den Erhöhungen gegenüber - ist auch sehr aufschlussreich. Diese Reihe beginnt mit Anpassung und Nachahmung: Sonne in der Waage. Dadurch beginnt ein Prozess, den Gurdjieff „tue was andere tun“ genannt hat, und der in Hypnotismus und Aggression endet.

Wie bildet sich die Seele?

Schauen wir uns einmal mehr das Enneagramm an:

Enneagram Planeten Zahl



Es zeigt die Ordnung, wie die sechs Elemente, aus denen die Reihe der Erhöhungen gebildet ist, mit den sechs Punkten des Enneagramms zusammenhängen. Die zwei Lichter und die vier Planeten haben mit der inneren Dynamik eines Prozesses zu tun. Wie kann diese Kombination interpretiert werden? Ich möchte hier das Bild mit dem inneren Prozess vom „Werden des Seins“ in Verbindung bringen, als einem Prozess, indem die kosmischen Möglichkeiten eines jeden menschlichen Wesens verwirklicht werden. In der Beschreibung bleibe ich bei der inneren dynamischen Struktur und gehe nicht auf den Ablauf der zeitlichen Oktave ein, die an der Peripherie von 0-9 beschrieben ist.

Das Dreieck mit dem Do, Punkt 0, ist die, für unser Bewusstsein nicht offenbarte „Sonne hinter der Sonne“, die kreative Quelle jenseits des Bewusstseins. Die erste Offenbarung davon ist Re, unsere Sonne, Punkt 1; reines Bewusstsein, welches am Anfang einer neuen Schöpfung steht. Genau dies ist gemeint, wenn ein Sufi sagt: „Es gibt keine Schöpfung in der Welt der Erscheinungen, nur das Werden des Seins“.

Punkt 4, Fa, ist der Wille, Mars, das „Werkzeug“ des Bewusstseins: Das klare Ziel. Es ist der Träger der Energie der Verwirklichung. Energie selbst hat keine Richtung und nur in Verbindung mit einem Ziel kann sie kreativ werden. Die Begrenzungen für die Wirkung des freien Willens sind immer gegeben, das bedeutet, Saturn stoppt den freien Fluss der Energie: Die Landung bei Mi, Punkt 2. Härter zu versuchen hilft nicht, es macht keinen Sinn zu sagen, „ich muss mehr wollen“, die grössere Anstrengung alleine öffnet nicht den Weg zur Verwirklichung. Wir treffen an die Schwelle, an die geschlossene Tür, an das Hindernis.

Wenn wir beim Mi nicht weiterkommen und die Kraft nicht aufbringen, die Oktave fortzusetzen, ist es Zeit, nach Hilfe zu suchen. Es wird gesagt: Wir erhalten alle Hilfe, die wir brauchen, aber wir müssen danach fragen (zum Beispiel: Bunyan’s „Pilgerfahrt“). Wir können uns dem Unbekannten öffnen, dem Höchstmöglichen. Damit schwenken wir zur Liebe des unerkennbaren Schöpfers jenseits des Bewusstseins ein, welcher „diese Welt aus Liebe erschaffen hat“. Wir bitten in unserer Bedürftigkeit um Hilfe, denn „Er gab das Bedürfnis jedem geschaffenen Wesen mit, um alles miteinander zu verbinden“. Dadurch erflehen wir eine absteigende Oktave, welche von oben kommt, um uns zu helfen. Meine eigene Erfahrung ist: Jeder SOS-Ruf in meinem Leben wurde innerhalb von 24 Stunden beantwortet. Natürlich nicht immer in einer Art, die ich mir vorgestellt habe, oder die ich mir ausdenken konnte. Aber es kam immer eine klare Hilfe von ausserhalb oder aus meinem Inneren . Dies ist Si, die Venus am Punkt 8.

Dies führt zu Sol, Jupiter, bei Punkt 5. Hier erleben wir Momente der inneren Erfüllung, von Gnade und dem Gehalten-Sein aus der Einheit. Ich könnte das Wort „Glück“ verwenden, aber es geht um mehr als ekstatische Freude. Es ist der Wein, der in unseren Adern zu Blut wurde – der Wein des Dionysos’, Christus’ oder der Sufis.

Diese Fülle, dieser innere Reichtum, die reine Substanz ohne Dunkelheit, kann zur Nahrung für die wachsende Seele - den Mond - werden, bei La, bei Punkt 7. Der wachsende Mond wird Teil der nächsten „Schöpfung“ im neuen Bewusstsein werden, wenn es wieder zum Punkt 1 zurückführt. Die neue Oktave bringt die erworbenen Substanzen der Seele mit sich. Die Seele wurde von Reshad Feild als „erkennende Substanz“ definiert. Die erste Offenbarung des Bewussteins kommt aus der Einheit. Je mehr Wissen – Erkanntes - das Bewusstsein mit sich bringt, desto grösser, desto komplexer kann der Kosmos geschaffen werden. Durch die wachsende Seele erhält das Do jeder weiteren Oktave mehr Intelligenz, mehr Substanz, mehr Möglichkeit. Durch jeden neuen Beginn und „Feststecken“ bei Mi bekommt die absteigende Oktave mehr und mehr Substanz und mehr Möglichkeit, zu „helfen“, um die laufende Oktave zu vollenden.

Schöpfung, so wie sie in der Ordnung der Erhöhungen gezeigt wird, ist eigentlich ein „Einbahn“-Prozess. Durch die Verbindung mit dem Enneagramm wird sie zu einem geschlossenen Kreis, in welchem die „Strahlen“, durch die Sonne gesendet, nicht im endlosen Raum verschwinden, sondern teilweise „zurückkommen“, um sie zu nähren. Der Kreislauf des dynamischen Prozesses wird weitergehen bis der Mond – als weiblicher Partner der Sonne – ein ihr ebenbürtiger Partner wird.

Durch jede vollendete Oktave wird die Seele – der Mond – wachsen. Jede Oktave führt notwendigerweise von der neuen Idee durch Willen (Mars), durch Leiden infolge der Begrenzung (Saturn), zur Kontaktnahme mit der höheren Wirklichkeit (Venus), zur Erfüllung (Jupiter) zum Wachsen durch Erfahrung, zum Wissen und zur Fähigkeit zur Verwirklichung. Wir leiden immer wegen unseren Begrenzungen, aber – wie ich es durch das Diagramm verstand – wir würden uns nicht dem Höheren zuwenden, wenn wir nicht durch Leiden zu ihm geführt wären.

Diese Darstellung möge einige neue Impulse für das Verständnis geben, was Gurdjieff mit dem Mond gemeint hat, und warum er von der „Bildung eines neuen Mondes“ gesprochen hat. Es ist ein langer Prozess, der durch eine grosse Anzahl von neuen Oktaven geht, wieder und immer wieder. Nur dann wächst die Qualität unseres inneren Mondes, um ein Partner der inneren Sonne zu werden. Nur dann ist es möglich, dass Sonne und Mond sich in der UNIO MYSTICA vereinigen können. Das ist das Ziel aller spirituellen Traditionen.

Es bleiben aus meiner Sicht viele Fragen unbeantwortet. Natürlich habe ich nicht alle Antworten in meiner Tasche bereit. Aber je mehr wir verstehen, desto mehr sehen wir: Alles echte Verständnis führt zur gleichen Quelle. Alles ist mit allem verbunden. Das LEBEN ist ein Netzwerk, wie ein Teil eines Gewebes: Wenn wir es an einem Punkt anheben, kommt das Ganze mit, da alles mit allem zusammenhängt.

Das LEBEN ist grösser als wir. Wir können es nicht an uns reissen und kontrollieren. Was wir tun können, ist mit vollem Bewusstsein daran teil zu nehmen, und dann wird sich uns das Leben selbst offenbaren. Es wird uns mit einigen Strahlen der WAHRHEIT, welche die EINHEIT ist, nähren.

Ausser Liebe zu Gott dem Schönsten ist alles, auch wenn es süss ist, Agonie des Geistes.
Was ist Agonie des Geistes? Sich dem Tod nähern und das Wasser des Lebens nicht zu schöpfen.
Die Leute fixieren beide Augen auf die Erde und den Tod; sie haben hundert Zweifel in Bezug auf das Wasser des Lebens.
Strebe danach, dass aus den hundert Zweifeln neunzig werden;
gehe in der Nacht,
denn wenn du schläfst, entfernt sich die Nacht von dir.
Suche in der dunkeln Nacht den Tag;
folge der Vernunft, die die Dunkelheit verzehrt.
In der übelfarbigen Nacht gibt es viel Gutes;
das Wasser des Lebens ist der Gefährte der Dunkelheit.


Matnawi, 1.Buch, Verse 3686 – 3691

Author; Agnes Hidveghy Kategorie: Verschiedene Themen

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