24
August
2017

Die Wespe

Die Wespe

Die Wespe ist ein denkendes Wesen. Wie ich draufgekommen bin? Sehr einfach. Etwas Beobachtung, ein wenig Logik – man braucht kein Genie zu sein, um das herauszufinden!

Die gegebene Situation kann jeder (mit „jeder“ meine ich jeder Mensch. Damit sind sowohl Männer wie Frauen gemeint – da bekanntlich Frauen auch Menschen sind) beobachten: Eine Wespe, die sich ins Wohnzimmer verirrt hat. Sie will wieder hinaus, aber sie versucht es am falschen Fenster. Surrt und hastet unruhig hinauf und hinunter innerhalb des Fensterrahmens. Ich öffne das Fenster nebenan, damit sie hinaus kann. Vergebens. Sie bleibt an „ihrem“ Fenster treu. Versuche mit einer Postkarte – die gerade auf dem Tisch lag – sie sanft in Richtung Freiheit zu komplimentieren. Sie reagiert mit Panik, in wilden Fluchtversuche weicht sie der Postkarte in jede Richtung aus, nur nicht Richtung offenes Fenster. Sie ist damit so erfolgreich, dass ich ihr kaum folgen kann. Es ist eine Jagd auf Leben und Tod: sie kann ihren Kopf auch konkret verlieren, wenn sie im übertragenen Sinne bereits verloren hat. Sie kann mit der Karte auch erdrückt werden, obwohl ich genau das nicht will! Sie ist innerhalb des Rahmens des geschlossenen Fensters gefangen. Wie ein Irrsinniger, der durch die Wand gehen will und nicht wahrzunehmen fähig ist, dass zwei Schritte weiter eine offene Türe steht.

Dann nehme ich ein Trinkglas. Ja, diese Strategie ist vernünftiger! Ein Leben retten, anstatt zu vernichten. Es ist ein gutes Gefühl, ein Lebewesen vor dem Tod zu retten! Es ist zwar kein Mensch, aber auch ein halbwegs intelligentes Wesen. Also versuche ich das Glas so über sie ans Fenster zu stülpen, dass kein Beinchen eingeklemmt wird. Ich schiebe die Postkarte zwischen Fenster und Trinkglas, dann braucht es nur eine kleine Bewegung zum offenen Fenster hin – die Wespe ist frei.

Die ganze Geschichte nun aus dem Blickwinkel der Wespe. Sie erzählt ihr Abenteuer dem Wind – da sonst ihr niemand zuhört.

„Hör zu, was mit mir geschehen ist! Gerade ist das mir passiert! Ich habe einen neuen Raum entdeckt und ich wollte ihn erkunden. Da ich nichts Interessantes darin gefunden habe, habe ich gedacht, ich fliege weiter. Aber stell dir vor, ich konnte diesen Raum nicht mehr verlassen! Ich dachte, es ist ein böser Zauberer, der mir das antut. Und dann dachte ich, es ist ein unglückliches Schicksal, das mir eine unüberwindbare Wand hingestellt hat. Das Unverständliche dabei war, dass dieses Hindernis nicht sichtbar war. Unvorstellbar! Wie ich mich auch bemühte, konnte ich dieses unsichtbare Hindernis nicht durchbrechen.

Ich wollte in die Freiheit, ich habe dafür meine ganze Kraft eingesetzt! Wie wenn meine Not nicht gross genug gewesen wäre, erschien ein scharfes Etwas, das mich zerhacken wollte! Ich dachte, jetzt ist mein Leben vorbei. Nur dank meiner Geschicklichkeit, meiner genialen, wohl überlegten Strategie, konnte ich es austricksen! Nur deshalb konnte ich heil davonkommen!

Das ist aber noch nicht alles! Aus dem Nichts, wie ein Blitz, so schnell, wurde ein Turm über mich gestülpt, ich wurde in einen kleinen Raum eingesperrt. Ich habe schon gedacht, jetzt gibt es kein Entrinnen mehr! Ich erstickte fast, verlor fast die Besinnung, als etwas Dunkles zwischen mir und der so nahen Freiheit auch den Weg abgeschnitten hat. Dann, gerade dann, geschah das Wunder... Als die Not am grössten war – im Nu war die Freiheit einfach da. Ja, ich denke, es war ein Wunder, dass ich gerettet wurde!“

Ja, ich bin überzeugt, dass die Wespe denkt. Wieso? Mit vielen Menschen geschieht das Gleiche. Und es ist erwiesen, dass Menschen denkende Wesen sind.

Denke nicht, dass du ein gejagter bist! Lass dich vom Leben zum Neuen führen. Verlasse den sicherheitgebenden Rahmen! Freiheit liegt jenseits des Bekannten. Und wenn dir die Liebe Begrenzungen auferlegt, wisse, die Freiheit ist Nahe!

Author; Agnes Hidveghy Kategorie: Verschiedene Themen

Über den Author

Agnes Hidveghy

Agnes Hidveghy

Bitte Kommentar schreiben

Bitte einloggen, um einen Kommentar zu schreiben.