Eigensinn

Eine kleine Motte surrt seit zwei Tagen am Fenster. So klein ist sie auch nicht, sieht wie eine riesige Mücke aus.
Sie versucht die ganze Zeit in die Freiheit zu gelangen, in die Freiheit, die «zum Greifen nahe» und doch durch ein unsichtbares Hindernis verunmöglicht ist. Rhythmisch versucht sie das Unbegreifliche mit ihrem fast durchsichtigen dünnen Körper durchzubrechen. Gibt nicht auf. Woher die Energie zu dieser Anstrengung? Und wozu?
Draussen schneit es. Wenn es nach seinem Eigensinn ginge, würde sie sofort erfrieren. Das begreift sie natürlich nicht. Einzige Drang: Licht, Freiheit. Wenn ich das Fenster öffnete, damit sie versteht, müsste sie augenblicklich sterben.
Der grosse Raum der Stube steht ihr zur Verfügung. Sie würde gewiss auch Nahrung finden. Warum nutzt sie diese Möglichkeit nicht? Dazu müsste sie ihren Eigenwillen aufgeben…
Nun ist sie heute Morgen an der Decke. Lebt sie noch? In der Dunkelheit hat sie auf jeden Fall den höchsten und hellsten Ort, den sie erreichen konnte, gefunden.
Author; Agnes Hidveghy Kategorie: Weisheiten
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Agnes Hidveghy
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